Boden als Gemeingut

Im Januar organisierte das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft in Kooperation mit der Kulturland eG ihren fünften Fachtag im Heinrich-Böll-Haus in Berlin. Im Rahmen der Alternativen Grünen Woche konnten sich die gut 100 Gäste mit dem so wichtigen Zugang zu Land für die landwirtschaftliche Nutzung beschäftigen.

SIMONE OTT, NETZWERK SOLIDARISCHE LANDWIRTSCHAFT

Eigentlich soll mit dem Grundstücksverkehrsgesetz dafür gesorgt werden, dass nur Menschen, die auch wirklich etwas anbauen wollen, Ackerland kaufen können. Damit einher gehen Privilegien, wie das Recht, einen Folientunnel oder eine Scheune auf das Land zu setzen. Doch regelmäßig werden zum Beispiel Gewerbegebiete auf Ackerland genehmigt, während Junglandwirt*innen Schwierigkeiten haben, einen eigenen Betrieb zu gründen. Per Definition ist ein*e Landwirt*in nämlich jemand, der oder die Land sein Eigen nennt. Und wer kein Land hat, und sich eventuell noch als Verein organisiert, wie viele solidarische Landwirtschafts-Initiativen, bekommt so auch keines.

So stellte Felicitas Sommer (Ethnologin, TU München) in ihrem Vortrag fest, dass nur 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen hierzulande von Landwirt*innen bewirtschaftet werden. Das heißt, Privilegien, die mit dem Eigentum an Land einhergehen, »werden zu 60 Prozent von den Falschen genutzt, die von steigenden Pachtpreisen profitieren«.

Dazu kommt, dass Land oft unter der Hand gehandelt wird und man es nicht mitbekommt, wenn man nicht die richtigen Leute kennt, beklagte Jost Burhop vom Ackersyndikat. Die gemeinwohl­orientierte Organisation für Landeigentum will mit ihrem Konzept »Nicht-Eigentum« an Land und Hofstellen verbreiten. Das Land soll jeweils denen gehören, die es bewirtschaften: dezentral und selbstorganisiert. Damit sieht sich das Ackersyndikat als Ergänzung zu Genossenschaften wie der Kulturland eG: Sie kauft das Land ebenfalls aus dem Bodenmarkt heraus, stellt es dann aber als Gemeinschaftseigentum regional eingebundenen, ökologisch arbeitenden Landwirt*innen günstig zur Verfügung. »Allmende 2.0« nennt das die Kulturland eG und verweist damit auf eine Zeit, als landwirtschaftliche Fläche noch kein Privateigentum war, sondern als gemeinschaftliches Eigentum von der Bevölkerung genutzt wurde.

Das änderte sich grundlegend erst im europäischen Feudalismus des 17. und 18. Jahrhunderts: Calvinistisches und kolonialistisches Denken postulierte eine möglichst produktive Bewirtschaftung als »moralisch-politisches Gebot«, wie Eva Weiler (Philosophin, Universität Duisburg-Essen) darlegte. Das hatte zur Folge, das als »nicht-produktiv« angesehene Anbaumethoden ihre Daseinsberechtigung verloren und die Bewirtschafter*innen damit ihre Berechtigung auf das Land.

Auf diese Weise entstandenes akkumuliertes Eigentum wurde und wird bis heute weitergegeben, so dass nach wie vor neben dem Staat Adlige und die Kirche große Grundbesitzer*innen sind. Somit tragen auch Gemeinden und Kommunen zu ungerechter Landverteilung bei. Das beginnt damit, dass es kaum gesicherte Erkenntnisse über die tatsächlichen Investor*innen hinter den Eigentümer*innen gibt, so Annalena Jakab (Kopos-Projekt, Netzwerk Flächensicherung). In einem vierjährigen Projekt mit Forscher*innen, Städten, Landwirt*innen und aktivistischen Organisationen in Berlin-Brandenburg stellte sie fest, dass es den Kommunen meist am Monitoring und an Kapazitäten fehlt, mit den tatsächlichen Entwicklungen Schritt zu halten. Für eine proaktive und gemeinwohlorientierte Bodenpolitik seien sie schlicht überfordert und bräuchten dringend Koordinationsstellen für diese Tätigkeiten.

Doch auch die Vorstellung von traditioneller Landwirtschaft als Familienbetrieb behindert die progressiven Ansätze, selbst bei Politiker*innen wie Anne Monika Spallek (MdB, Ausschuss Landwirtschaft – Bündnis 90/Die Grünen), deren Herzensthema es ist, das Höfesterben zu stoppen. Der Forderung, als Vereine organisierten Solawis durch eine Ergänzung des Grundstücksverkehrsgesetzes den Zugang zu Land zu ermöglichen, erteilte sie eine Absage. Damit waren viele Anwesende nicht einverstanden, denn sie fürchten, mit der althergebrachten Vorstellung von Landwirtschaft werde eine Agrarwende nicht zu schaffen sein.

»Solidarische Landwirtschaft wählt den ganz kurzen Weg direkt zu den Verbraucher*innen«, resümierte Bernd Schmitz (Bundesgeschäftsführer Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft), und ermöglicht ihnen damit eine regionale Versorgung auch mit jungen engagierten Landwirt*innen und Gärtner*innen ohne eigenes Kapital. »Aber wie nehmen wir diejenigen mit, die bisher noch skeptisch sind?« So bleibt auch nach dem Fachtag klar: Für eine Agrarwende ist noch viel zu tun.

Siehe auch CONTRASTE Nr. 442/443 (Juli/August 2021): Kulturland eG und Ackersyndikat über selbstorganisierte Wege zur Lösung der Bodenfrage.

Links zu den beteiligten Initiativen:
www.solidarische-landwirtschaft.org
www.kulturland.de
https://ackersyndikat.org/
www.kopos-projekt.de
www.zugangzuland.de
www.abl-ev.de

Titelbild: Die Fläche der Solawi Ackerilla bei Leipzig. Foto: Christian Köhler, Kulturland eG

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