Ackersyndikat (AS) und die Kulturland eG (KL) stehen für unterschiedliche Ansätze eines anderen Umgangs mit Grund und Boden. Beide verfolgen das Ziel, durch andere Eigentumsstrukturen Boden der Spekulation zu entziehen und für eine umweltverantwortliche landwirtschaftliche Bewirtschaftung zu sichern. CONTRASTE-Redakteur Burghard Flieger führte das Interview mit Thomas Kliemt-Rippel und Titus Bahner von der Kulturland eG sowie dem Ackersyndikat, vertreten durch Gunter Kramp und den Ackersyndikat Kokreis.
Könnt ihr mit jeweils drei Sätzen das Ackersyndikat (AS) und die Kulturland eG (KL) vorstellen?
KL: Als die Kulturland-Genossenschaft sind wir der verlässliche Bodenträger für lebendig ausstrahlende, regional eingebundene Biohöfe, Solawi- und Quereinsteiger-Höfe. Wir ermöglichen die gemeinschaftliche Finanzierung von Landkäufen, um diese langfristig zu sichern und aus der Spekulation zu befreien. Hierfür haben wir eine neue Eigentumsform erfunden: Verantwortungseigentum an landwirtschaftlichem Land, eine Art moderne »Allmende«. Durch die Beteiligung von mehr als 950 Genossinnen und Genossen konnten wir bereits mehr als 300 Hektar Land für 22 Partnerhöfe langfristig sichern.
AS: Das Ackersyndikat ist die Schwesterorganisation des Mietshäuser Syndikats für die Landwirtschaft und verfolgt ähnliche Ziele: Höfe selbstorganisiert, dezentral und solidarisch finanziert dauerhaft dem Markt zu entziehen und als Commons zu sichern.
Könnt ihr erläutern, weshalb das den Biohöfen zur Verfügung gestellte Land dauerhaft als unverkäufliche Commons gesehen werden kann?
KL: In der Präambel zu unserer Satzung steht, dass wir »landwirtschaftliche Flächen erwerben, um sie im Sinne einer modernen ›Allmende‹ langfristig in gemeinschaftlichem Eigentum zu halten.« Wir gewährleisten dies, indem wir mit den Bewirtschafter_innen der jeweiligen Höfe eine lokale Immobilienbesitz-Körperschaft in Form einer Kommanditgesellschaft für das Land gründen. Im Gesellschaftervertrag wird festgeschrieben, dass die Flächen ökologisch und regional eingebunden bewirtschaftet werden müssen. Solange die Bewirtschafter_innen diese Bedingung einhalten, können sie das Land unbefristet und unkündbar nutzen. Wir als Kulturland-Genossenschaft, aber auch die Bewirtschafter_innen, können Land nicht einseitig verkaufen. Solche Beschlüsse müssen einvernehmlich getroffen werden. Wir haben kein Interesse, Land zu verkaufen und dies auch noch nie getan.
AS: Auch wir realisieren die Unverkäuflichkeit mit einer lokalen Immobilienbesitz-Körperschaft, wie beim Mietshäusersyndikat erprobt mit einer GmbH. Gesellschafter sind der lokale Hofverein, in dem alle Nutzer_innen des Hofes organisiert sind und der Ackersyndikat e.V. Das Kapital liegt weitgehend bei der lokalen GmbH. Der Ackersyndikat e.V. verfügt über Entscheidungsrechte nur bei Grundsatzentscheidungen wie Verkauf, Satzungsänderungen und Änderung der Bewirtschaftungsweise. Ein Verkauf wird damit mit größtmöglicher Sicherheit verhindert. Wir werden auch eine lokale Rechtsstruktur rein auf Basis eines Vereins entwickeln, so dass Höfe, die bereits Eigentum eines Vereins sind, sich dem Ackersyndikat anschließen können.
Weshalb wird das Ganze nicht als Stiftung organisiert? Was ist da der Unterschied?
KL: Wir haben die Rechtsform einer Genossenschaft gewählt, weil diese basisdemokratisch organisiert ist und auf dem Grundgedanken der »Hilfe zur Selbsthilfe« beruht. Genoss_innen sind gleichzeitig Eigentümer_innen und Kunden_innen des Unternehmens und verfügen daher über volle Mitgestaltungsmöglichkeiten. In einer Stiftung ist keine demokratische Bürger_innen-Partizipation möglich. Ein Stiftungsrat trifft alle Entscheidungen. Wir wollen eine Brücke schaffen vom Privateigentum hin zu einer neuen Allmende. Hierfür erachten wir es als wichtig, dass unser Schaffen stets sozial lebendig bleibt. Im Gegensatz zu einer Stiftung handelt es sich bei einer Genossenschaft um Beteiligungskapital und nicht um Schenkgeld. Mitglieder können ihr Geld wieder aus der eG nehmen, wenn sie es brauchen oder nicht mehr von unserer Tätigkeit überzeugt sind.
AS: Auch das Ackersyndikat ist bewusst keine Stiftung, auch wenn es die Immobilien dauerhaft bewahren will. Dies soll nicht von einem kleinen Stiftungsrat, sondern von einem großen Netzwerk von Höfen und freiwillig Engagierten getragen werden. Wir sind ein Verein, weil das deutsche Genossenschaftsrecht Basisdemokratie zu stark einschränkt und wir ohnehin nicht wollen, dass Geldgeber_innen als solche Stimmrecht haben. Nur die Höfe und aktive Mitglieder sind im Ackersyndikat stimmberechtigt.
Wo kommt das nötige Kapital für den Landkauf her, und warum arbeitet ihr mit dieser Kapitalqualität?
KL: Wir arbeiten in erster Linie mit rückforderbarem Beteiligungskapital in Form von eG-Anteilen. Das ermöglicht uns zum einen mehr Reichweite als Schenkgeld in Form von Spenden und Zustiftungen. Das gilt nicht nur, weil es nicht so viel Geld zu verschenken gibt, sondern auch weil sich Menschen lieber beteiligen als ihr Geld einfach wegzugeben. Zum anderen entsteht durch Beteiligungskapital eine soziale Trägerschaft des Eigentums, die bei Schenkgeld nicht entsteht; wir binden das Eigentum an die Lebendigkeit des sozialen Umkreises. Das Gemeinschaftseigentum kann sich auch wieder auflösen, wenn das Leben aus dem Projekt verschwunden ist. Innerhalb der eG haben wir neuerdings eine unselbständige Stiftung, die Klee-Stiftung, gegründet, über die wir gerne auch Schenkgeld und gestiftetes Land annehmen.
AS: Wir arbeiten mit Nachrangdarlehen = Direktkrediten, wie beim Mietshäusersyndikat erfolgreich erprobt. Damit werden die Geldgeber_innen bewusst nicht Miteigentümer_innen. Stimmrecht von Geldgeber_innen und Privatpersonen als Gesellschafter der Hofeigentumsgesellschaften sind für uns ein Widerspruch zur angestrebten Entprivatisierung, Selbstverwaltung und Kapitalneutralisierung. Wir werden uns so aufstellen, dass wir auch Schenkgeld annehmen können.
Wie wird das Problem der landwirtschaftlichen Privilegierung beim Landkauf gelöst, nach dem aktive regionale Bauern grundsätzlich ein Vorkaufsrecht gegenüber Nichtlandwirten oder nicht-regionalen Bauern haben?
KL: Wir gründen eine KG, die vom Bauern als Komplementär vertreten wird und die so ausgestaltet ist, dass sie aktiven Landwirt_innen beim Grunderwerb gleichgestellt wird.
AS: Die Bäuer_innen sind bei uns in der Hof GmbH so vertreten, dass diese einem Landwirt gleichgestellt ist. Hof und Land bleiben zudem im AS immer in einem gemeinsamen Rechtsträger.
Wer trifft die Entscheidungen auf den Höfen, bei denen die Kulturland eG bzw. das Ackersyndikat ganz oder teilweise den Boden zur Verfügung stellt? Wie wird dies dauerhaft sichergestellt?
KL: Die Bewirtschafter_innen sind als Komplementäre der KG die geschäftsführende Partei und daher de facto ihre eigenen Verpächter. Dadurch haben sie die volle Autonomie über das Land, solange sie es ökologisch und regional eingebunden bewirtschaften.
AS: Die Geschäftsführung der lokalen Hof-GmbH wird vor Ort gemacht. Das Kapital liegt dort. Die Hofnutzer_innen können in fast allen Fragen autonom entscheiden. Das Ackersyndikat sichert gegen Verkauf, wirtschaftliche Auszehrung der GmbH und Satzungsänderungen sowie, wenn vom lokalen Hof gewünscht, gegen Änderungen der Bewirtschaftungsweise.
Beide Konzepte sind ja mit Organisationskosten verbunden. Wie werden diese erwirtschaftet und was passiert, wenn das nicht gelingt?
KL: Unsere Partnerhöfe zahlen einen sogenannten solidarischen Höfebeitrag, der die Kosten der Kulturland eG trägt. Der Beitrag liegt bei durchschnittlich 250 Euro pro Hektar. Dies entspricht etwa einem Prozent des durchschnittlichen Kaufpreises der Flächen, die wir bisher gekauft haben. Wegen der großen Unterschiedlichkeit ist nur jeder Hof allein fähig, die Möglichkeit seines Hofes abzuschätzen. Deshalb setzen wir auf ein Bieterverfahren, in dem jeder Hof ein freies Gebot abgeben kann. Um den Höfen eine Orientierung zu geben, ermitteln wir einen Richtwert für jeden Hof. Zudem wird mit den Höfen vereinbart, dass sie die Freiheit haben, ihre Beitragszahlung in einem schwierigen Jahr einmalig auszusetzen. Sie können diesen Beitrag entweder nachträglich bezahlen oder die Summe wird in der nächsten Bieterrunde zum Gesamtbudget hinzugerechnet, das heißt von den anderen Höfen übernommen.
AS: Das Ackersyndikat ist analog dem Mietshäusersyndikat ein sehr schlankes Netzwerk, das kaum Kosten erzeugt. Es lebt von dem Engagement der Menschen auf den Höfen und in deren Umfeld. Der Organisationsaufwand wird minimiert und nahezu vollständig dezentralisiert, also auf den Höfen selbst erledigt. Daher kommt die oft zinslose Umfeldfinanzierung im Ackersyndikat den Höfen komplett zugute. Alles, was über die Kostendeckung hinaus für einen Solidartransfer erwirtschaftet wird, kann zu 100 Prozent zur Finanzierung neuer Projekte genutzt werden.
Wie ist denn der weitere Ablauf, wenn für eine erworbene Ackerfläche der nutzende Hof insolvent geht oder die Fläche nicht weiter bewirtschaften will bzw. kann?
KL: Wenn die ursprünglichen Bewirtschafter_innen den Hof verlassen – das ist bisher noch nie der Fall gewesen – würden wir uns mit aller Anstrengung darum bemühen, neue Bewirtschafter_innen zu finden. Da wir bereits mehrere Höfe als Ganzes übernommen und für diese Bewirtschafter_innen gefunden haben, sind wir überzeugt, dass uns dies in den allermeisten Fällen gelingt. Falls wir trotz aller Anstrengung keine Bewirtschafter_innen finden, würden wir das Land verkaufen. Erlöse aus Landverkäufen werden satzungsgemäß wieder vollumfänglich in neue Landkäufe investiert. Sollte es irgendwann dazu kommen, dass sich die Kulturland eG auflöst, würden wir alle Flächen an einen anderen gemeingutorientierten Bodenträger übertragen.
AS: Beim Ackersyndikat würde das ähnlich laufen. Grundsätzlich beteiligen wird uns nur an Hofprojekten, bei denen die realistische Aussicht besteht, dass ein Hof mit Land mit dem AS entprivatisiert werden kann. Einzelne Flächen, die dauerhaft ohne eine Hofstelle sind, möchten wir nicht erwerben, denn dafür müsste es eine zentrale Verwaltung geben. Wir wollen immer Hof mit Gebäuden und Land in einer Rechtsform haben, auch um den Aufwand zu minimieren. Im Mietshäusersyndikat wurden schon für Hausprojekte neue Gruppen gefunden. Dies zeigt, dass so etwas in einem dezentralen Netzwerk ohne bezahlte Führung funktioniert.
Links:
https://ackersyndikat.org
https://www.kulturland.de
Titelbild: Foto: Rote Rübe, Gemüsebaukollektiv der Kommune Niederkaufungen