Solidarische Landwirtschaft

Das dominierende agrarindustrielle Ernährungssystem tut uns und unserer Umwelt nicht gut. Es ist entstanden aus den Konkurrenzanforderungen der Marktwirtschaft und der gezielten Subventionierung großer Betriebe. Initiativen der Solidarischen Landwirtschaft hingegen stärken die lokale, kleinbäuerliche Landwirtschaft und gestalten direkte Beziehungen zwischen Produzierenden und Konsumierenden.

Sophie Kempe, Redaktion Kassel

Die Idee von Solidarischer Landwirtschaft (Solawi) folgt einer völlig anderen Versorgungslogik als die industrielle Landwirtschaft. Statt auf Massenproduktion setzt sie auf eine kleinstrukturierte Kreislaufwirtschaft, die sich in ihrem Wachstum begrenzt, um ihre Betriebsgröße an den sozialen und ökologischen Erfordernissen vor Ort zu orientieren. Statt über den Markt werden Produkte direkt und bedürfnisorientiert verteilt, es gibt keinen äquivalenten Tausch von Waren gegen Geld.

In einer Solawi übernimmt eine Gruppe von Verbraucher*innen die finanzielle Verantwortung für eine Landwirtschaft. Im Gegenzug erhalten die Ernte-Teiler*innen den gesamten Ertrag des Hofes. Die Konsument*innen werden zu »Prosument*innen«, die sich an der Produktion der Lebensmittel beteiligen – nicht nur finanziell, sondern auch sozial.

»Davon profitieren alle Beteiligten«, sagt Andrea Klerman vom Netzwerk Solidarische Landwirtschaft. »Die Verbrauchenden bekommen frische saisonale und regionale Lebensmittel und Transparenz über deren Anbau. Die Erzeugenden erhalten Planungssicherheit und aktive Unterstützung durch eine Gemeinschaft. Außerdem gibt es weniger Ausschuss, weil hier auch Produkte verwertet werden, die aufgrund von Marktnormen anderswo vernichtet werden.« Zudem seien Solawi-Betriebe resilienter und geschützt vor Veränderungen des Marktes.

Diese Vorteile der Solidarischen Landwirtschaft überzeugen offensichtlich immer mehr Betriebe und Verbraucher*innen. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Initiativen in Deutschland verzehnfacht, von knapp 50 Initiativen auf über 500. Bereits 2011 fand ein erstes Vernetzungstreffen von Solawis statt, daraus entstand der gemeinnützige Verein »Netzwerk Solidarische Landwirtschaft« (NWSL).

In Kooperation mit dem NWSL ist dieser CONTRASTE-Schwerpunkt entstanden. Er beleuchtet, vor welchen ökonomischen, ökologischen und sozialen Herausforderungen Solawi-Initiativen stehen und welche alternativen Lösungswege sie finden (Seite 9). Auch das Wachstum der Solawi-Bewegung selbst ist eine solche Herausforderung, wie Alina Reinartz vom NWSL schreibt (Seite 10). Sie erläutert die Methoden, die der selbstorganisierte Dachverband (weiter) entwickelt, um handlungsfähig zu bleiben und seine Mitglieder zu unterstützen.

Im Interview mit Andrea Klerman stellt sich die Solawi Jolling aus Bad Endorf vor (Seite 11). In dem Gespräch geht es auch um die aktuellen Krisen und Preissteigerungen – und welche Auswirkungen diese auf den Betrieb und die Mitglieder haben. Zuletzt werfen wir einen Blick über den Tellerrand: In Österreich weiten Solawi-Initiativen mit einer Stiftung die Idee vom Gemeineigentum aus. Die Munus Stiftung sichert das Eigentum von Solawis langfristig, entzieht also Flächen und Gebäude der Verwertungslogik des Marktes (Seite 12).

Für alle, die nach der Lektüre des Schwerpunkt noch nicht genug bekommen können, kommen in diesem Jahr gleich zwei Solawi-Filme ins Kino. Und wer selbst aktiv werden möchte, kann natürlich eine eigene Filmvorführung organisieren (Seite 11).

Link: www.solidarische-landwirtschaft.org

Titelbild: Eine wachsende Bewegung: Inzwischen gibt es in ganz Deutschland über 500 Solawi-Initiativen, die sich überregional im Netzwerk Solidarische Landwirtschaft organisieren. Foto: Netzwerk Solidarische Landwirtschaft


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