Lebensende in Gemeinschaft(en)

Geburt und Tod sind die einschneidendsten Ereignisse im menschlichen Leben, auch in politischen Kommunen und anderen Gemeinschaften. Anstatt das unvermeidliche Ende zu verdrängen, wünschen sich viele einen anderen Umgang mit dem Lebensende.

Ariane Dettloff, Redaktion Köln

So möchten fast alle, die mensch befragt, zu Hause sterben. Die Realität hierzulande sieht anders aus: Die meisten sterben in Krankenhäusern oder Alten- und Pflegeheimen. Tod und Sterben werden oft dermaßen tabuisiert, dass kaum jemand den ganz natürlichen Ablauf des Lebens noch miterlebt – selbst nächste Angehörige nicht. Zudem bewirken Systemzwänge der Profitgesellschaft, dass ein leidvolles und meist einsames Sterben hierzulande zur Regel geworden ist. Denn bei Reanimation und Beatmung im Krankenhaus »rentiert sich« der »Fall«.

Anders zu sterben, kann in Gemeinschaften eher ermöglicht werden als in Kleinfamilien, weil die damit verbundenen Belastungen auf mehrere Schultern verteilt werden können. Und die existenziellen Erfahrungen im Laufe einer Sterbebegleitung sind oft bereichernd. Das vermittelt CONTRASTE-Autor Ernst Ludwig Iskenius aus dem Gemeinschaftsprojekt Wassermühle Brömsenberg in diesem Schwerpunkt. Allerdings können sie die Pflegenden auch überfordern.

Das Thema nicht zu vertagen und generationenübergreifend zu diskutieren, ist angesagt – gerade jetzt. Denn viele Kommunen sehen sich herausgefordert, den Umgang mit Hochaltrigkeit auf die Tagesordnung zu setzen. Da kann dann eventuell auch so etwas wie das »Sterbefasten« zur Sprache kommen, das Beenden des eigenen Lebens, indem mensch aufhört, zu essen und zu trinken. Ist das zu respektieren und im Sinne von Autonomie und Selbstbestimmung gutzuheißen? Oder wäre dies juristisch betrachtet unterlassene Hilfeleistung? Gibt es eine Patient*innenverfügung? Wer soll im Todesfall benachrichtigt werden? Wird der tote Mensch aufgebahrt? Wie wird die Trauerfeier gestaltet? Solche und viele weitere Fragen können rechtzeitig diskutiert werden.

»Raus aus der Tabuzone« für die Themen Tod und Sterben – dazu möchte dieser Schwerpunkt beitragen. Beispiele aus Gemeinschaften in Venezuela, Virginia (USA), Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, dem Wendland und Köln veranschaulichen, wie ein weitgehend selbstbestimmtes, würdiges Sterben in Gemeinschaften aussehen kann, ohne jedoch Schwierigkeiten und Probleme zu verschweigen. Auch Hilfen von außen, die Menschen an ihrem Lebensende rechtlich zustehen, stehen zur Verfügung. Diese zu kennen, ist unter anderem in der Vorbereitung auf unser Lebensende wichtig.

»Ableismus« – die Diskriminierung von Menschen, die etwas nicht können aufgrund von körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen – ist auch im Kontakt mit alten Menschen ein Thema, das bedacht werden will. Es heißt auch, sich mit gesellschaftlichen Idealen von Leistungsfähigkeit kritisch auseinanderzusetzen. Im »Care Paket« der AG Pflegekollektiv Wendland/Altmark, dem dieser Schwerpunkt viel verdankt, kann man darüber einiges nachlesen.

Und dass alt gewordene Menschen mit all ihrer Lebenserfahrung es nicht leiden können, bevormundet zu werden, schildert Uwe vom »Radikalen Rentner Block« auf Seite 11. Doch das Wichtigste im Alter bedeutet ihm »das Loslassen«. »Die Jungen«, erklärt der 81-Jährige, »sollten wissen, dass wir Alten vor enormen inneren Herausforderungen stehen, denen auch sie sich in nicht allzu ferner Zeit ausgesetzt sehen werden.«

Titelbild: Beerdigung in der Kommune Twin Oaks (USA). Foto: Twin Oaks Community


Werft auch einen Blick ins Inhaltsverzeichnis der März-Ausgabe >>>

Ihr wollt eine oder mehrere Ausgaben der CONTRASTE bestellen?
Dann schreibt einfach eine Mail an: abos@contraste.org

Das könnte für dich auch interessant sein.