Architektur für einen Planeten in der Krise

»Critical Care – Architektur für einen Planeten in der Krise« war der Titel einer Ausstellung im Architekturzentrum Wien im Sommer 2019, die sich mit der Rolle der Architektur für eine sozial gerechte gesellschaftliche Transformation beschäftigte.

Brigitte Kratzwald, Redaktion Graz

»In der Medizin bezeichnet Critical Care (Intensivpflege) ein Spezialgebiet, das sich der Diagnose und Behandlung lebensbedrohlicher Zustände widmet. Dazu gehören umfassende Lebenserhaltungsmaßnahmen für Schwerkranke.« (Critical Care: S.10) Die Ausstellungskurator*innen haben diesen Begriff entlehnt, um über den lebensbedrohlichen Zustand zu sprechen, in dem sich die Erde befindet. Und sie gehen davon aus, dass Architektur eine wichtige Rolle zu spielen hat im Umgang mit dieser Krise.

Die in der Ausstellung versammelten Projekte verbindet das Ziel, soziale Gerechtigkeit zu befördern und der Klimakrise etwas entgegenzusetzen. Die Ausstellung versammelt »21 Beispiele des Sorgetragens in Architektur und Urbanismus für das 21. Jahrhundert« (ebd.: S.16), so die Kurator*innen in der Einleitung zum gleichnamigen Buch. Da geht es um Sorgetragen für Wasser, Grund und Boden, für Reparatur, für lokale Kenntnisse und Fähigkeiten, für den öffentlichen Raum, aber auch für eine nachhaltige und kollektive Produktion.

Zu den Akteur*innen des Sorgens gehören in fast allen Projekten auch die Menschen, die diese Räume benutzen sollen. Der Grad der Partizipation ist unterschiedlich, es gab aber eine nicht unwesentliche Anzahl von Beispielen, die nicht nur eine Einbindung der Bevölkerung auf Augenhöhe vorantrieben, sondern die auch die Rahmenbedingungen für zukünftige Selbstorganisation schufen. Häufig treten Architekt*innen und Planer*innen als Vermittler*innen zwischen Bevölkerung und Politik auf; oft auch als Anwält*innen von marginalisierten Gruppen, die sie dabei unterstützen, ihre Rechte geltend zu machen. Einige dieser Projekte werden in diesem Schwerpunkt vorgestellt.

Seite 9 zeigt zwei Beispiele der sogenannte »Katastrophen-Architektur«. Im Gegensatz zu herkömmlicher Katastrophenhilfe setzen die Architekt*innen dabei auf traditionelle, lokal verfügbare Materialien und Techniken und beziehen die Betroffenen beim Aufbau mit ein, sodass diese das Wissen wieder an andere weitergeben können und die Menschen unabhängig von Hilfe aus dem Ausland werden.

Auf Seite 10 wird die Wiederetablierung eines nahezu in Vergessenheit geratenen Commons in Spanien beschrieben. Außerdem gibt es einen kurzen Beitrag der die theoretische Herangehensweise der Ausstellungskuratorinnen erläutert. Wie Bewohner*innen informeller Siedlungen in Costa Rica kollektive Landrechte durch einen Community Land Trust bekommen konnten, erfahren Leser*innen auf Seite 11.

Auf Seite 12 wird ein Modellprojekt für die kollektive, gemeinwohlorientierte Entwicklung eines Stadtteils im Zentrum von Berlin vorgestellt, die Möglichkeiten einer Stadtentwicklung jenseits der Verwertungslogik bietet.

Im Buch zur Ausstellung kann mensch mehr über die Zugänge dieser Architekt*innen erfahren: Angelika Fitz / Elke Krasny / Architekturzentrum Wien (Hg.): Critical Care. Architecture and Urbanism for a Broken Planet. Wien 2019.

Die Ausstellung ist ab dem 7. Februar in Berlin zu sehen:

Titelbild: Heritage Foundation of Pakistan


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