Ernährungsräte — für eine Politik von unten

Ernährung ist ein wichtiger Aspekt, wenn es um Maßnahmen gegen die Klimakrise geht, trägt doch konventionelle Landwirtschaft einen guten Teil zum CO2-Ausstoß bei. Beim Thema Ernährung geht es aber auch um ausbeuterische globale Handelsketten, um die Arbeitsbedingungen in Lebensmittelindustrie und -handel und nicht zuletzt um unsere Gesundheit. Am Ende betrifft das Thema jede und jeden.

Brigitte Kratzwald, Redaktion Graz

Kein Wunder, dass Initiativen rund um Ernährung und Landwirtschaft ganz vorne dabei sind, wenn es um die notwendige sozial-ökologische Transformation geht. Das Konzept der Ernährungssouveränität stellt hier eine Orientierungslinie dar. Über entsprechende Initiativen berichten wir auch immer wieder in der CONTRASTE.

In dieser Ausgabe wird ein spezielles Thema aus diesem breiten Feld herausgegriffen: Ernährungsräte. Bürger*innenräte, speziell auch zum Thema Klima, erfreuen sich in den letzten Jahren in Europa steigender Beliebtheit. Mit wenigen Ausnahmen werden Bürger*innenräte von den Regierungen eingesetzt und sollen Handlungsvorschläge für bestimmte Politikfelder erarbeiten. Sie werden als begrüßenswerte Weiterentwicklung der Demokratie angesehen, wobei noch offen ist, welche der ausgearbeiteten Vorschläge dann wirklich in die Politik eingehen oder doch wieder in Schubladen landen, wie so viele Ergebnisse von früheren Beteiligungsprozessen.

Anders ist das bei den Ernährungsräten. Sie entstehen »von unten«, aus Graswurzelinitiativen, wie Florian Sander vom Kölner Ernährungsrat im Interview auf Seite 10 erklärt. Sie haben aber trotzdem den Anspruch, aktiv in die kommunale oder regionale Politik einzugreifen, »damit das Thema Ernährung als wichtige Querschnittsaufgabe in allen Politikbereichen verankert wird«, schreibt Christine Pohl in ihrem Beitrag über den Berliner Ernährungsrat auf Seite 9. Das kann durchaus einen langen Atem und das Bohren dicker Bretter bedeuten.

Es geht den Ernährungsräten aber nicht nur um politische Arbeit, sondern auch ganz konkret ums Tun. In den Beiträgen in diesem Schwerpunkt wird sichtbar, wie viele Menschen, Gruppen, Unternehmen und Forschungseinrichtungen schon zukunftsfähige Lösungen für die Ernährungsfrage in der Pipeline haben. Sowohl in Köln als auch in Berlin gilt: Es wäre möglich, die ganze Region bio-regional zu ernähren. Trotzdem gibt es laut dem letzten Buch des Ernährungsrates Berlin »Berlin isst anders« (siehe Rezension auf Seite 15) nur 15 Prozent regionaler Produkte in Berlins Supermärkten.

Obwohl Ernährungsräte auch eigene Projekte entwickeln, wie etwa den Mitmach-Supermarkt Foodhub in München, der neben dem Münchner Ernährungsrat auf Seite 12 vorgestellt wird, ist ihr vorrangiges Ziel daher, Produzent*innen, Konsument*innen, Politik und Verwaltung zusammenzubringen, um gemeinsam an Wirkmächtigkeit zu gewinnen. Schulen, Kitas und Unternehmen sind weitere Zielgruppen der Bewusstseinsbildung und auch wichtige Ansprechpartner für die Umsetzung.

Die Idee hat seit der Gründung des ersten Ernährungsrats in Köln 2016 eine bemerkenswerte Dynamik entwickelt. Inzwischen gibt es 69 entsprechende Initiativen in Deutschland und auch ein internationales Netzwerk, das im Schwerpunkt auf Seite 11 durch den Ernährungsrat Südtirol vertreten ist.

Link: ernaehrungsraete.org

Titelbild: Ein neues Pflänzchen wächst von unten: Inzwischen gibt es 69 Ernährungsräte und Gründungsinitiativen in Deutschland. Foto: Mathias Katz auf Unsplash


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