Teilgabe: Geben und Nehmen für‘s Gemeinwohl

Ein aktuelles Forschungsprojekt zur bürgerschaftlichen, genossenschaftlichen und sozialunternehmerischen Gestaltung von gemeinwohlorientierter Versorgung wird zugespitzt mit dem Begriff Teilgabe bezeichnet. Macht diese Wortschöpfung »Sinn«?

Burghard Flieger, Redaktion Genossenschaften

Teilhabe bedeutet genau genommen nur mitmachen, aber Teilgabe beinhaltet, beim Mitmachen auch etwas zu geben. Teilhabe und Teilgabe werden geprägt durch gleichzeitiges Nehmen und Geben. Teilgabe besagt laut der Erziehungswissenschaftlerin Marianne Gronemeyer, dass jedes Mitglied einer Gruppe, Organisation oder Gesellschaft auch selbst seinen Beitrag zur Gestaltung des Miteinanders einbringen kann und will.

Viele zivilgesellschaftliche alternativökonomische Initiativen leisten einen Beitrag für die soziale und wirtschaftliche Versorgung in ihrem unmittelbaren Umfeld, aber auch überregional. Sie machen dies in den Formen bürgerschaftliches Engagement, Genossenschaften und Sozialunternehmertum. Das Forschungsprojekt Teilgabe steigt tief in diese Themenfelder ein, um in Abgrenzung zu den eher passiven Formen der Bürgerbeteiligung deren besondere Qualität der Teilhabe und Teilnahme am Gemeinwesen zu stärken.

An den Beispielen Plattform-Kooperativismus, Energiegenossenschaften, Solidarische Landwirtschaftsbetriebe und Seniorengemeinschaften werden unterschiedliche Ausprägungen in branchenbezogenen Fallstudien aufgearbeitet. Diese veranschaulichen sehr ungleichzeitige Entwicklungen der Kooperation, die weitergehenden Bedarfe der Betriebe nach mehr Unterstützung und die Voraussetzungen mittelfristiger Erfolge.

Das Projekt passt hervorragend in die aktuelle »Nationale Strategie für Sozialunternehmen« der Bundesregierung. Für diese zeichnet Staatssekretär Sven Giegold im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz verantwortlich. Darin geht es um die Frage: »Wie können wir Sozialunternehmen, Genossenschaft, gemeinwohlorientierte Start-ups am besten stärken?« Genau dafür leisten die Ergebnisse des Projekts Teilgabe einen aktiven Beitrag.

In dem Schwerpunkt stehen verbundwirtschaftliche Ansätze der Zusammenarbeit im Mittelpunkt. Nach einer mehr konzeptionell theoretischen Einführung des Genossenschaftswissenschaftler Johannes Blome-Drees werden die gegenwärtigen Aktivitäten des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft dargestellt. Hier nehmen die sozialintegrativen Leistungen für die Mitgliedsbetriebe bisher noch breiten Raum ein. Im Unterschied dazu hat die Dachgenossenschaft Bürgerwerke eG eine Vorreiterfunktion für die wirtschaftliche Stärkung der Energiegenossenschaften. Sie kann weit über die eigene Branche hinaus als Vorbild dienen.

Dagegen steckt die Zusammenarbeit der Seniorengenossenschaften noch »in den Kinderschuhen«. Weder bundesweit noch länderbezogen treibt hier bisher eine Organisation die Vernetzung voran. Eine Querschnittsfunktion für gemeinsames Handeln kommt der Fallstudie Plattform-Kooperativismus zu. Damit einhergehende digitale Ökonomisierungsleistungen machen Sinn für alle Branchen gemeinwohlorientierten Wirtschaftens. Wer die Ergebnisse des Forschungsprojekts für eigene Aktivitäten nutzen will, sollte sich den Termin der »Bundesversammlung des kooperativen Wirtschaftens in Deutschland« (24. Juni 2023 in Kassel) in seinem Terminkalender vormerken.

Titelbild: Der Bürgerwerke eG – Dachgenossenschaft der Energiegenossenschaften – hat eine Vorreiterfunktion für wirtschaftliche Kooperation. Foto: Bürgerwerke eG


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