Schwerpunkt: Wie geht Utopie?

Transformation – das ist ein Schlagwort, auf das sich erst mal viele einigen können. Wie wir es mit emanzipatorischen Inhalten füllen können, darum geht es in diesem Contraste-Schwerpunkt.

Jojo Klick, Commons-Institut

Nicht nur in alternativen Bewegungen, sondern auch in wissenschaftlichen Kreisen und Teilen der etablierten Politik scheint sich angesichts der drohenden Klimakatastrophe das Bewusstsein dafür zu bilden, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Doch oft bleibt es dann dabei, dass alles irgendwie ein bisschen ökologischer, im besten Fall auch noch ein bisschen sozialer werden muss. So bleibt der Inhalt der Transformation unterbestimmt.

Was die Autor*innen dieses Schwerpunktes eint, ist eine grundlegende Kritik am Kapitalismus, einer Gesellschaftsform, die nicht zufällig mit Umweltzerstörung und Ausbeutung einhergeht, sondern die in ihren grundlegenden Funktionsweisen Exklusion und die Abwälzung von Kosten auf Andere nahelegt. Worum es also in diesem Schwerpunkt geht, ist die Frage, wie wir aus dem Kapitalismus herauskommen: Aus der Kritik folgt die Utopie, aus der Utopie die Transformation.

Commons als ein Weg aus dem Kapitalismus

Dabei muss ich mir klar darüber sein, was ich am Kapitalismus kritisiere. Kritisiere ich die Gier von Bankern oder Kapitalist*innen, dann müssten diese nur durch Menschen ersetzt werden, die nicht so gierig sind. Wenn ich aber Eigentum und Tauschlogik kritisiere, weil diese Konkurrenz und Ausschlüsse hervorbringen, dann kann ich mir überlegen, wie eine tauschlogikfreie, bedürfnisorientierte Gesellschaft aussehen könnte. Aus der Kritik folgt die Utopie, das Ziel. Von diesem ausgehend kann dann wiederum diskutiert werden, wie wir dorthin kommen: Müssen wir die Staatsmacht erobern oder setzen wir eher auf Selbstorganisationsprozesse, die andere Formen der Herstellung unserer Lebensbedingungen schaffen? Eine Vorstellung der Utopie ist Voraussetzung dafür, über diese Fragen der Transformation nachdenken zu können.

Für die Autor*innen dieses Schwerpunktes sind sowohl bei der Utopie als auch bei der Transformation Commons entscheidend, also Gemeingüter oder »Ressourcen […], die aus selbstorganisierten Prozessen des gemeinsamen bedürfnisorientierten Produzierens, Verwaltens, Pflegens und/oder Nutzens (Commoning) hervorgehen« (Wikipedia), eine Form der Herstellung unserer Lebensbedingungen jenseits von Staat und Markt.

Friederike Habermann betont in ihrem Beitrag, dass diese Räume anderer Selbstverständlichkeiten darstellen, in denen tauschlogikfreie Beziehungsweisen erlernt werden können. Stefan Meretz widmet sich der Frage »Wie geht Utopie?«, um zu erläutern wie sich jenseits von Denkverbot und reiner Auspinselei über Utopien nachdenken lässt. Simon Sutterlütti geht anschließend konkreter auf verschiedene Transformationsstrategien ein und diskutiert ihre jeweiligen Probleme. Annette Schlemm schließlich holt uns unter dem Motto »Was tun wenn‘s brennt?« zurück auf den Boden der bitteren Realität, in der sich durch Klimakatastrophe und Rechtsruck noch einmal ganz andere Probleme stellen und diskutiert, wie Commons unter diesen Bedingungen Wirkungsmacht entfalten können.


Literatur zum Schwerpunkt

Friederike Habermann:

  • Ausgetauscht! Warum gutes Leben für alle tauschlogikfrei sein muss (2018, Ulrike Helmer-Verlag)
  • Ecommony. UmCARE zum Miteinander (2016, Ulrike Helmer-Verlag).
  • Geschichte wird gemacht. Etappen des globalen Widerstands (2014, Laika)
  • Der unsichtbare Tropenhelm. Wie koloniales Denken noch immer unsere Köpfe beherrscht (2013, Drachenverlag)
  • Halbinseln gegen den Strom. Anders leben und wirtschaften (2009, Ulrike Helmer-Verlag)
  • Der Homo Oeconomicus und das Andere. Hegemonie, Identität und Emanzipation (2008, Nomos)

Commons als Subsistenzperspektive

Silvia Federici:

  • Aufstand aus der Küche. Reproduktionsarbeit im globalen Kapitalismus und die unvollendete feministische Revolution (2012, edition assemblage)
  • Caliban und die Hexe. Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation (2004/2017, Mandelbaum)

Veronika Bennholdt-Thomsen, Maria Mies und Claudia von Werlhof:
Frauen, die letzte Kolonie. Zur Hausfrauisierung der Arbeit (1983/92, Rowohlt).

Ulla Peters: Jenseits des Schrebergartens. Politisierung der Subsistenz – Perspektive für einen feministischen Internationalismus?«, in: Schwertfisch (Hg.), Zeitgeist mit Gräten. Politische Perspektiven zwischen Ökologie und Autonomie (1997, Yeti Press), S. 65-73.

Commons in der technikoptimistischen Perspektive

Paul Mason: Postkapitalismus. Grundrisse einer kommenden Ökonomie (2015, Suhrkamp)
Jeremy Rifkin: Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft. Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus (2014, Campus).

Weitere Literatur

John Holloway:

  • Read Capital: The First Sentence. Or, Capital Starts with Wealth, not with the Commodity, in: Historical Materialism 12.3 (2015), S. 3-26.
  • Kapitalismus aufbrechen (2010, Westfälisches Dampfboot).

Links

https://commons-institut.org
https://livingutopia.org

www.utopival.de
www.move-utopia.de

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