Der Einsatz gegen Klimakrise und Umweltzerstörung zeigt sich beispielhaft an den Auseinandersetzungen engagierter Menschen mit RWE und den Behörden um den Erhalt des Hambacher Waldes und der durch den Braunkohle-Tagebau bedrohten Dörfer. Der Verein »Initiative Buirer für Buir« hat sich aus einer Ein-Thema-Bürgerinitiative zu einem breit aufgestellten Bündnis entwickelt.
Calle Virnich, Köln
Mitte der 2000er fand in Bergheim eine stark besuchte Infoveranstaltung zur geplanten Verlegung der Autobahn A4 statt: RWE wollte den Tagebau Hambach, laut Braunkohleplan von 1972, nach Süden bis an die Ortsgrenze von Kerpen-Buir vorantreiben, die »alte« A4 war dabei im Weg. Gegen die Planungen gab es zahlreiche Einwände, alle Teilnehmer*innen der Veranstaltung wurden anonymisiert. Es kam aber heraus, dass die Teilnehmer*innenliste, die bei den RWE-Anwälten vorne auf dem Tisch lag, sämtliche Klarnamen enthielt. Diese Erfahrung war Mitte 2006 Anlass zur Gründung der Initiative »Buirer für Buir«. Gemeinsam setzten sie sich die Mitglieder gegen die A4-Verlegung ein, für den Erhalt der Lebensqualität in Buir und zum Schutz von Natur und Kultur.
2007 gründeten die Initiator*innen einen Verein, um gemeinsam mit BUND e.V. gegen die Autobahnverlegung und in Unterstützung eines Buirer Privatklägers für ein neues Planfeststellungsverfahren zu klagen. Die Klage wurde vom BVG Leipzig trotz eindeutiger Gutachten und Sachargumente 2009 abgewiesen, eine gegen das Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung zugelassen. Die neue A4 wurde später tatsächlich gebaut.
Zerrissenheit im Dorf
Nach diesem Gerichtsurteil war die Enttäuschung in Buir riesengroß. Aufgeben wollte aber niemand: Es galt nicht nur gegen die Autobahn, sondern für den Klimaschutz, den Erhalt des Waldes und für die »Zukunft unserer Kinder« zu arbeiten. Mit der Autobahn stand auch der Ausweitung des Tagebaus nichts mehr im Wege. Deshalb war es Zeit, sich klar gegen RWE zu positionieren. Das bedeutete auch eine klare Konfrontationslinie zu ziehen im rund 4.000 Einwohner*innen zählenden Buir und der Region, in der viele bei, für oder mit RWE arbeiten oder sympathisieren. »Man spürte und spürt die Zerrissenheit im Ort«. Immerhin zählt der Verein rund 100 aktive Mitglieder, es gibt aber auch stille Unterstützer, hin und wieder auch Spenden.
»Vor der Selbstorganisation kommt immer die thematische Selbstermächtigung«, erklärt Gründungsmitglied Andreas Büttgen. Die Aktivist*innen arbeiten sich intensiv in wichtige Sachfragen ein – rund um Themen wie Klimawandel, Energiepolitik, RWE, politische Strukturen oder Bergrecht. Ebenso wichtig ist die Vernetzung, sei es mit großen NGOs wie BUND oder Greenpeace, sei es mit kleinen, thematisch verwandten Organisationen, regional (zum Beispiel »Alle Dörfer bleiben« in Keyenberg) oder weltweit. Vernetzung ist vor allem Aufgabengebiet von Antje Grothus, einem weiteren Gründungsmitglied der Initiative.
Die aktive Vereinsarbeit wird geprägt von Infoveranstaltungen, auch als Rahmen für die Präsentation wichtiger Publikationen. Greenpeace stellte zum Beispiel 2013 die Studie »Tod aus dem Schlot« zunächst in Hamburg, schon am nächsten Tag in Buir vor. Es gibt Austausch mit der Lokal-, Kreis- und Landespolitik, bei anstehenden Wahlen werden Politiker*innen zur Stellungnahme eingeladen. Ganz wesentlich ist die Öffentlichkeits- als Aufklärungsarbeit in der Presse und den sozialen Medien. Mehrfach versuchte RWE zum Beispiel, Hangrutschungen am Rande des Tagebaus totzuschweigen. Die Initiative hat aufgepasst und es der Presse gemeldet, so dass RWE nachträglich Stellung nehmen und es den Aufsichtsbehörden melden musste.
Aufgabe als Demokratiewächter
Mit Beginn der Waldbesetzungen ab Frühjahr 2012 kamen auf den Verein neue Aufgaben zu. Bereits bei der ersten Räumung im November 2012 hätten sie gesehen, wie Polizei und Unternehmen zusammenarbeiteten, und wie systematisch gelogen wurde, wie Gründe für die Räumungen erfunden und von der Politik dankbar aufgegriffen wurden. Ein Schema, das sich in den folgenden Jahren stets wiederholte. Die Initiative hat diese Prozesse immer intensiv begleitet, genau hingeschaut und eine »Aufgabe als Demokratiewächter« eingenommen. Die politische Unabhängigkeit ist zentral und Versuche zum Beispiel der Aachener Polizei, die Initiative als »Botschafter« zu instrumentalisieren hat sie ebenso zurückgewiesen wie Vorwürfe, sie stehe an der Seite von »Linksterroristen«. Auf die Frage eines Journalisten, ob sie denn noch die Menschen im Wald unterstützen würden, entgegnete Andreas Büttgen Anfang dieses Jahres kurz und bündig: »Nein, wir unterstützen den Wald, und der Wald braucht noch Schutz!« Unmittelbar unterstützt wird nur die sogenannte »Mahnwache« bei Morschenich als politische Veranstaltung.
Bei vielen Aktionen rund um den Wald und den bedrohten Dörfern mischt die Initiative aktiv mit, sei es bei den seit 2014 stattfindenden Waldspaziergängen und Mahnwachen mit dem Aachener Waldpädagogen Michael Zobel, sei es bei den bisher fünf Aktionen der »Roten Linie«, der Riesendemo am 6. Oktober 2018 oder bei der Erstellung von Dokumentarfilmen oder Reportagen.
Mittlerweile hängt das Logo der »Buirer für Buir« mit der durchgestrichenen A4 im Deutschen Museum. Damit hatten sich auch Überlegungen zerschlagen, das »A4« aus dem Logo zu streichen. Mit den »Revierperspektiven Rheinland«, also konkreten Vorschlägen, wie das Revier nach der Kohle aussehen könnte, saß die Initiative in Person von Antje Grothus auch in der »Kohlekommission« von Bund und Ländern. Der dort beschlossene Kompromiss sorgte für berechtigte Kritik. Doch selbst dieser Kompromiss wird von Politik und RWE nicht eingehalten, was zeigt: Es gibt also noch viel zu tun, nicht nur für die »Buirer für Buir«.
Link: https://buirerfuerbuir.de
Titelbild: Andreas Büttgen mit der Reportage »Hambi bleibt« von Sebastian Weiermann (ND) / Foto: Calle Virnich