ArteFakt wird Genossenschaft

ArteFakt ist ein sozialinnovativer Onlineshop für feine Olivenöle, Balsamico und Wein mit einer über 20-jährigen Geschichte. Das Unternehmen liefert edle Öle von familiär geführten Manufakturen aus dem mediterranen Raum. In deren Herstellung fließt jahrzehntelanges Wissen über Olivenanbau und viel Leidenschaft mit ein. Die Manufakturen werden streng überwacht und sämtliche Öle regelmäßig in Labors geprüft. Nun soll arteFakt eine Genossenschaft werden, gemeinsam getragen von seinen bisherigen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen.

Burghard Flieger, Redaktion Genossenschaften

Olivenbäume können Jahrhunderte alt werden. Beim Anblick eines knorrigen, alten Exemplars ist man versucht, sich zu fragen: Welch dicke Wurzeln werden so einen Baum wohl tragen? Aber das ist ein Trugschluss: Die Wurzeln des Olivenbaums sind nicht dick und stark. Sie sind kleinteilig und vielfach verzweigt. Stark werden sie durch ihre Tiefe in den Boden.

Ähnlich verhält es sich mit den Liebhaber*innen exzellenten Olivenöls. Jede*r Einzelne kann nur wenig ausrichten. Aber im Verbund und in den Beziehungen vieler liegt ein unglaubliches Potenzial. Dieses möchte Conrad Bölicke, 69 Jahre alt, Gründer und gegenwärtiger Geschäftsführer der Firma arteFakt noch besser nutzen: mit der Umwandlung von arteFakt in eine Genossenschaft. Schon vorher diente das Olivenöl als wunderbare Projektionsfläche, um in einem gesellschaftlichen Bereich Veränderung anzustoßen. Denn mit arteFakt rückten Menschen aus vielen Regionen – Olivenanbauer*innen, Oliviers und Liebhaber*innen des Öls – näher zusammen.

Am Kerngeschäft selbst soll sich nichts ändern: arteFakt wird seine Kund*innen auch als Genossenschaft weiterhin mit hochwertigen Olivenölen versorgen. Die Veränderung liegt an anderer Stelle: Demnächst können die Verbraucher*innen Mitglied werden. Wenn es viele werden, lassen sich so die Kräfte für etwas Größeres bündeln: Als Genossenschaft sieht Bölicke die Möglichkeit, sich an größere Aufgaben zu wagen, etwa an den Klimawandel. Und um den Generationenwechsel zu gestalten, wird arteFakt als Mitgift an die folgenden Generationen weitergegeben.

Die Olivenölkampagne arteFakt war von Anfang an als solidarisch-landwirtschaftliches Gemeinschaftsprojekt konzipiert. Conrad Bölicke selbst verstand sich dabei eher als Impulsgeber, Koordinator und Treuhänder denn als Eigentümer einer Firma. Indem die Verbraucher*innen seine Ideen mit Leben gefüllt haben, entwickelte sich arteFakt zu dem, was es heute ist. Folgerichtig will Bölicke nicht nur eine Genossenschaft gründen, sondern arteFakt entgeltlos als Teil der Mitgift in diese überführen. Der Plan ist das Ergebnis einer schon mehrere Monate andauernden Diskussion mit 500 Olivenölgenießer*innen und arteFakt-Freund*innen. Er beruht auf vielfältigen Überlegungen:

1. Herausforderungen durch den Klimawandel werden dringlicher

Viele Berichte, Studien und Prognosen zeigen, die Klimaeinflüsse werden sich in Südeuropa zunehmend stärker bemerkbar machen. In Teilen Andalusiens und auf Kreta lässt sich das bereits erkennen. Dürrezeiten oder extreme Regenfälle machen dort den Oliviers, den Erzeuger*innen und Lieferant*innen von arteFakt zu schaffen. Mit solidarischer Unterstützung, unter anderem mit dem »OlioSoli«, wurde ihnen von den Kund*innen von arteFakt in der Vergangenheit schon geholfen. Die Klimaveränderungen betreffen allerdings nicht nur einzelne Olivenhaine, sondern ganze Regionen. Die Kooperation mit den Nachbarlandwirten der Oliviers und den Kommunen wird also immer wichtiger werden. Über die Genossenschaft sollen Ressourcen gestärkt und gebündelt werden, um nicht nur vereinzelte Projekte anzustoßen, sondern die Ideen an mehreren Orten gleichzeitig umzusetzen. Chancen dazu werden auch in der Nutzung länderübergreifender EU-Förderprogramme gesehen.

2. Probleme lassen sich nur generationenübergreifend lösen

Der Klimawandel war lange eine scheinbar abstrakte Bedrohung. Nun werden die Folgen im Alltag konkret erfahrbar und drängen zum Umsteuern. Dafür werden zahlreiche Ansätze, Ideen und Projekte benötigt. Gehandelt werden soll möglichst dort, wo sich der Einzelne auskennt und verankert ist. Bei arteFakt dreht sich alles rund um die Olive. Die kommende Generation der Olivenöl-Erzeuger*innen wird die erste sein, die die Verantwortung nicht mehr nur einfach an die nachfolgende wird weiterreichen können. Sie muss selbst konkret handeln. Dafür wird sie viel Hilfe benötigen, denn ihre Aufgaben werden nicht nur größer, sondern auch komplexer werden. Diese Hilfe – in Form von Geld, Wissen und Gemeinschaft – sieht arteFakt als Mitgift an sie. Positiver Nebeneffekt der Genossenschaft: Anteilsscheine sind übertragbar, auch von Generation zu Generation. Kinder können ihren Eltern so problemlos als Teilhaber*innen nachfolgen. Das macht die Genossenschaft zur idealen Form für ein generationenübergreifendes Projekt.

3. Selbst bestimmen, wie und was wir konsumieren

Wer während einer »Griechischen Woche« im Discounter eine Flasche Olivenöl für drei Euro kauft, hat auf den ersten Blick ein Schnäppchen gemacht. Er muss sich aber darüber im Klaren sein, dass irgendjemand diesen Preis mit einem Verlust bezahlt. Und wenn es nicht die Konsument*innen sind, sind es die Olivenanbauenden und Landarbeiter*innen. Bei arteFakt wurde von Anfang an solchen »Verlusten« ein solidarisches Miteinander mit fairen Preisen entgegengesetzt. Dabei ging es schon immer um mehr als um den Handel mit Olivenöl. Mit seinen Projekten wollte arteFakt aufklären und auch, zumindest ein wenig, die Welt verbessern. Inspiriert ist dieses Denken vom erweiterten Kunstbegriff von Joseph Beuys: Wer gesellschaftliche Prozesse gestaltet, ist auch künstlerisch tätig. Insofern sieht Bölicke arteFakt als eine »soziale Plastik« nach Beuys und nicht als Werk eines einzelnen Unternehmers. Viele haben mitgewirkt – arteFakt in eine Genossenschaft umzuwandeln, steht für die konsequente Weiterführung dieses Gedankens.

Mitarbeiter der italienischen Cooperative Emanuel De Deo im nördlichen Apulien

Manchmal steht der Einzelne Aufgaben oder Problemen gegenüber, die für Individuen, kleine Gruppen oder auch kleine Unternehmen zu groß oder zu komplex sind. In so einem Fall kann man durch das Zusammentragen vieler kleiner materieller Beiträge ökonomische Kräfte entwickeln. Das geht besonders gut mit der Genossenschaft. Im Zusammenschluss vieler Gleichgesinnter lassen sich so bessere Lösungen organisieren. Dafür bringen die Mitglieder nicht nur materielle Beiträge ein, sondern auch ihr Wissen und ihre individuellen Fähigkeiten, von denen die Gemeinschaft dann profitiert.

Dringliches Anliegen angesichts der Schäden, die der Klimawandel den Oliviers bereits beschert, ist es, Maßnahmen dagegen zu setzen. In den Regionen, in denen die Versteppung und Verwüstung voranschreitet, soll aus den Erfahrungen der Permakultur geschöpft werden, mit denen sich durch Beeinflussung des Binnenklimas Kulturlandschaften zurückgewinnen lassen. Die Genossenschaft soll hierfür als Katalysator dienen.

Dass Oliviers sich gemeinsam und über Ländergrenzen hinweg als Entwicklungsgemeinschaft und nicht als Konkurrent*innen verstehen, ist immer noch einmalig. Um eine bessere Position am Markt zu bekommen, müssten es aber mehr werden. Das bereits bisher angesammelte Wissen reicht, um es zu einem Curriculum für eine Olivenfachschule auszuarbeiten und damit Vorstufen zukünftiger Ausbildungsgänge zu erproben, die dann auch in die öffentliche Hand gehören.

Zur Entwicklung von Terroir- und Qualitätskonzepten benötigen die Oliviers für den Erzeugungsprozess möglichst eigene Olivenmühlen. Mit dem »Tausch-Invest«-Projekt, bei dem arteFakt-Freund*innen ihr Olivenöl auf zehn Jahre im Voraus bestellten und bezahlten, konnte bereits schon einmal die Summe für eine Kleinmühle für einen griechischen Olivier aufgebracht werden. Dieses Konzept soll weiteren Erzeuger*innen zugänglich gemacht werden.

Baustein Olivenfachschule

Auf Kreta und in Apulien wurden Olivenhaine erworben, die sich noch in ihrer ursprünglichen, gemischten Bepflanzung im Zustand einer Gartenwirtschaft befinden. Aus diesen »Enklaven« lassen sich Anregungen und Antworten auf aktuelle Probleme finden: die Regenerationsfähigkeit der Landwirtschaft. Mit ihrem kulturhistorischen Wert sollen die arteFakt-Olivenhaine Landschaftsmuseen, aber auch Studien- und Lernorte werden.

Für die Entwicklung hin zur Genossenschaft soll bis zur Sommerpause 2020 ein konkreter Satzungsvorschlag zur Gründung vorliegen. Die Gründung selbst wird dann bis zum Herbst angestrebt. Bis dahin sind die Kund*innen von arteFakt aufgefordert, ihre Ideen und Anmerkungen einzubringen. Auch kritische Anmerkungen zu dem Unterfangen sind gefragt – per Post, per E-Mail oder im Internetforum auf der Internetseite. Wer sich dort in das Register für ein Beitritts-Interesse einträgt, wird fortlaufend über den Fortgang informiert. Ziel ist es, arteFakt so über einen gemeinsamen Prozess zur arteFakt Genossenschaft umzugestalten.

Link: www.artefakt.eu

Bilder: arteFakt

Das könnte für dich auch interessant sein.