Ein konstanter Ort des Wandels

Das Gasthaus Jakob in Dannenrod vor einem Jahr: Der Hof steht voller Zelte, in denen Menschen wuseln, um Gemüsesuppe und Ingwertee zu kochen. Unter Pavillons sitzen Menschen und schneiden haufenweise Gemüse, es läuft Musik und vor den Zelten laden Menschen sich von einer Spendenstation ihr Essen auf Handkarren, mit denen sie wieder in den Wald fahren. Innen, im Gastraum, sitzen Menschen an ihren Laptops in Onlinevorlesungen oder im Home-Office. Das Gasthaus Jakob war im Herbst 2020 ein essenzieller Ort für den Widerstand gegen die A49 im Dannenröder Wald.

Menschen aus dem Gäst_innenhaus Jakob, Dannenrod

Heute, ein Jahr später, ist es hier etwas ruhiger geworden. Im Hof stehen keine Zelte mehr. In einer der Scheunen am Hof wird aber immer noch gekocht. Da, wo mal das Essenslager war, sitzen Menschen zusammen und machen Pläne im Abendplenum. An der Hauswand flattert ein Banner im Wind: »Wald statt Asphalt«.

Im Herbst 2020 wurde die Besetzung im Danni, im Herren- und im Maulbacher Wald geräumt. Die Bäume wurden genau entlang der geplanten Strecke der A49 besetzt. Einer Autobahn, die mitten durch ein Trinkwasserschutzgebiet und einen gesunden Mischwald führen soll. Aber die im September 2019 entstandene Besetzung konnte trotz des riesigen Protests, der Menschen aus vielen Ländern hergezogen hat, nicht gehalten werden – und wurde durch ein absurdes, gewaltvolles Polizeiaufgebot zerschlagen. Die Bäume im Wald sind zwar gefallen, aber einige Menschen sind geblieben – im neu erfundenen Gäst_innenhaus Jakob.

Im Dezember war dann neben der Schneise durch den Wald noch das Zeltlager übrig. Hier überwinterten einige von uns und haben versucht, das, was vom Protest übrig geblieben ist, zu ordnen und weiter gegen die A49 zu kämpfen. Unsere Zelte brachen uns reihenweise unter zentimeterdicken Schnee- und Eisschichten zusammen und die Temperatur kroch in den zweistelligen Minusbereich. Es war keine einfache Zeit.

Umso willkommener war es da, sich im Gasthaus aufwärmen zu können. Bis Anfang diesen Jahres wurde es noch von NGOs für den Protest gemietet. Im späteren Winter entwickelte sich dann die Idee, das Haus längerfristig zu nutzen und einen Ort des gelebten Wandels, ein Transformationszentrum, aufzubauen. Auch die Besitzer*innen waren von der Idee überzeugt und so wurde begonnen, sie in die Realität umzusetzen.

Wir, die Menschen vom Gäst_innenhaus, wollen einer dieser Orte sein, an denen sich die Versuche einer sozialökologisch gerechteren Welt ausleben lassen können. Dabei wollen wir uns auf vier Säulen stützen: Bildung, Regeneration, Kultur und Vernetzung. Dass es genau dabei bleiben muss, darauf kommt es gar nicht an. Manchmal arbeiten wir Tag und Nacht an besserer Vernetzung mit der ganzen Bewegung und vergessen dabei unsere persönliche Regeneration. Und an einem solchen Punkt angekommen, wollen wir auch einen Schritt zurücktreten können, um uns zu fragen: Arbeiten wir gerade unermüdlich gegen ein System des Wettkampfes in der beinahe gleichen Logik von zielbesessenen, aber selbstvergessenen Wettläufer*innen?

Die banale, innere Revolution, uns nicht mehr wie in kapitalistischer Logik zu überarbeiten, ist bei all den Zielen gar nicht so einfach, aber essenziell. Wir wollen hier im abgeschiedenen Dannenrod bewusst einen Ort gestalten, an dem Menschen neue Kraft tanken können. Für die, die im Aktivismus zuhause sind, aber auch für alle, die einfach Abwechslung vom Alltag suchen. Dabei wollen wir bewusst auch die Kreise erweitern und aus unserer Blase heraustreten. Und vielleicht am wichtigsten: Wir wollen Projekte gemeinsam gestalten!

Viel ist dabei schon realisiert worden. Wir haben eine offene Bibliothek mit vor allem politischen Werken. Eine offene Werkstatt wird eingerichtet. Wir haben unser erstes eigenes Gemüse angebaut, Kinderfreizeiten organisiert, eine Kunstausstellung zum Danni sowie diverse Workshops zu Aktionsklettern, Transformative Justice oder Baumhöhlenkartierung veranstaltet. Und mehr ist geplant, wie unser kleiner Dorfladen, Kultur- und Bildungsveranstaltungen sowie unser Gesprächs-Podcast »Transformation bleibt Handarbeit« befinden sich im Schaffensprozess der Aktiven im Gäst_innenhaus.

Zwar können wir den Ort schon kollektiv nutzen, aber damit das auch in Zukunft so bleibt, brauchen wir finanzielle Unterstützung. Auf diesem Wege möchten wir unterschiedliche Türen zur Unterstützung öffnen, damit je nach Person und Möglichkeiten alle das beitragen können, was sie gerade beitragen können und wollen. Denn uns alle treiben unterschiedliche Motivationen.

Menschen sind in Dannenrod geblieben, um den Protest gegen die A49 weiterzuführen, aber auch, um etwas Neues aufzubauen: einen konstanten Ort des Wandels. Wir wollen zeigen: Unser Protest bleibt! Sowieso überall, wo es zu kapitalistischer Zerstörung kommt, werden auch Widerstand und alternative Lebensentwürfe wachsen.

Nichts komplett Neues, aber das gesellschaftliche Bewusstsein wächst, dass sich überall solidarische und transformative Lebensentwürfe entwickeln können – je nach Region und Menschen den Bedürfnissen angepasst.

Lebensentwürfe, die Verantwortung für das direkte Umfeld wieder spürbar machen und Systeme basierend auf Hierarchie und Macht grundlegend hinterfragen. Macht bleibt nur im Sinne einer emanzipierten Macht zur Selbstermächtigung: die Ermächtigung, ein selbstbestimmtes Leben frei von Diskriminierung und Zwängen zu führen. Und falls wir straucheln, bleibt uns nur, es immer wieder neu zu versuchen. Denn wir sind uns bewusst, dass wir hohe Ansprüche haben, die uns immer wieder scheitern lassen, aber merken auch, dass sie uns als Gemeinschaft wachsen lassen.

Und eben zu diesem Experimentierfeld möchten wir alle einladen! Das Gäst_innenhaus soll ein möglichst offener Ort sein für alle, die auch Lust haben, gemeinschaftlich Ideen zu realisieren, die den Idealen eines sozialökologisch gerechten Wandels zumindest so nahe kommen, wie es eben gerade geht.

Genauere Infos zu unseren Projekten und der Kampagne zur Finanzierung des Hauses unter:
https://gaest-innenhaus.org

Kontakt: info@gaest-innenhaus.org

Titelbild: In der Scheune auf dem Hof wird immer noch gekocht. Foto: Gäst_innenhaus

Das könnte für dich auch interessant sein.