Seit über 30 Jahren arbeitet und wirkt im »Haus der Demokratie« eine bunte Mischung aus Initiativen und linken Gruppen. Sie führen das Vermächtnis der ostdeutschen Bürger*innen-Bewegungen fort, deren außerparteiliche Arbeit der Motor der friedlichen Revolution 1989 war.
Helene Jüttner, Berlin
Ein oranges Banner flattert vor der Fassade der Greifswalder Str. 4, nicht unweit vom Berliner Alexanderplatz: Haus der Demokratie und Menschenrechte. Das Haus und der gleichnamige Verein beherbergen mehr als 50 Initiativen aus aller Welt, im Hofeingang hängen in langer Reihe mehr als 70 Briefkästen. In Raum 1102 können interessierte Leser*innen die Bibliothek der Freien Anarchistischen Bücherei durchstöbern, nebenan arbeitet eine Interessenvertretung von Menschen mit Autismus und eine Etage tiefer bemüht sich ein Nichtraucherbund um Aufklärung.
Hervorgegangen ist das Projekt aus den ostdeutschen Bürger*innen-Bewegungen der 80er und 90er Jahre. Der Verein hat zwei klare Ziele: Erstens, einen Ort zu schaffen, der Platz für außerparteiliche, gesellschaftspolitische Arbeit bietet. Und zweitens das ostdeutsche Narrativ als die Sicht der »Wende-Verlierer*innen« rund um die Wiedervereinigung lebendig zu halten. Durch die Kontinuität der beteiligten Menschen und ihr einzigartiges Wissen als Zeitzeug*innen verfügt der Verein über vielfältige Perspektiven und wertvolle Erfahrung mit politischem Engagement.
Begonnen hatte alles im Dezember 1989. Der Zentrale Runde Tisch übergab den ostdeutschen Bürger*innen-Bewegungen die Friedrichstraße 165 als Zentrale. Damit war eine materielle Basis für die Arbeit jener Bewegungen geschaffen, deren politisches und gesellschaftliches Engagement die Wende mit möglich gemacht hatten. Während der Verfassungsentwurf des Runden Tisches rasch in Vergessenheit geriet und die politische Landschaft Ostdeutschlands von den westdeutschen Parteien absorbiert wurde, organisiert sich im HdD ein breites Spektrum linker Gruppen. Ihnen gemeinsam sind die Bestrebungen, die ehemalige DDR noch »von links« zu überholen und die gesellschaftspolitische Sprengkraft der friedlichen Revolution zu nutzen, um den Traum einer befreiten Gesellschaft zu verwirklichen. Doch mit der Währungsreform und dem ungehemmten Aufprall des kapitalistischen Westdeutschland auf die wackeligen Überreste der Planwirtschaft der DDR entstand für ehemalige Ostdeutsche ein enormer ökonomischer Integrationsdruck.
Die Zeit der unbegrenzten Möglichkeiten nach dem Mauerfall war kurz. Das Momentum des Umbruchs war verklungen, die Bedeutung der Bürger*innen-Bewegung schwand, ihr Hauptquartier in exzellenter Hauptstadtlage zog begehrliche Blicke auf sich. Lange Konflikte um unklare Besitzverhältnisse prägten seit Mitte der 90er die Arbeit im Haus. Die Parteivermögenskommission entschied schlussendlich, dass das Haus nicht weiter von den Bewegungen genutzt werden dürfe. In der Friedrichstraße erinnert heute nur noch eine kleine bronzene Gedenktafel an die politische Geschichte des Hauses. Zehn Jahre und dem eher unfreiwilligen Umzug später findet sich das Haus der Demokratie an seinem neuen Standort wieder: weniger Fassaden-Stuck und weniger Prestige, dafür mehr Büroräume und eine gesicherte Zukunft. Denn die Abfindung, die den Rausschmiss etwas abmildern soll, reichte zusammen mit einem Kredit, um die Räume in der Greifswalder Straße zu kaufen.
Zum Bedauern der Vereinsmitglieder*innen hat sich das Haus in den letzten Jahren mehr und mehr zu einem reinen Büro-Haus entwickelt. Das Hausplenum tagt nur noch, wenn es Probleme gibt und selbst dann lässt die Beteiligung zu wünschen übrig. Das widerspricht der Gründungsidee des Hauses der Demokratie: Als Gemeinschaft in den umgebenden Raum wirken und sich untereinander vernetzten. Doch die eingefleischten Strukturen widerstehen der sich einschleichenden Leblosigkeit. Das jährliche Hausfest am Tag der Befreiung, gemeinsame Spendensammelaktionen und Kollaborationen mit anderen Bündnissen und Initiativen halten den Geist am Leben. Die Räume des HdD stehen auch kurzfristig immer offen für Plena, Workshops und Tagungen linker Gruppen.
Mittlerweile ist der inhaltliche Rahmen viel weiter gesteckt als in den Anfängen. Und in einer Stadt, in der der Investitionsdruck die linken Räume immer schneller dahinrafft, ist das HdD eine Oase gesicherter Zukunftsperspektiven für Gruppen, die eine materielle Basis für ihre Arbeit brauchen. Jetzt ist es an Berlins linker Szene sich diesen Freiraum zu Nutze zu machen und seine Potenziale wieder besser auszuschöpfen.
Link: https://www.hausderdemokratie.de
Titelbild: Das »Haus der Demokratie« im Jahr 1990 – noch in der Friedrichstraße 165. Foto: Rolf Walter
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