Neue Verteilungskonflikte im öffentlichen Raum

Durch die Coronakrise und ihre Folgen wurde die Bedeutung des öffentlichen Raums besonders deutlich sichtbar, und es zeichnen sich neue Verteilungskämpfe ab. Einerseits soll die Wirtschaft, vor allem die Gastronomie, angekurbelt werden, andererseits nutzen mehr Menschen den öffentlichen Raum in den Städten als Erholungsraum und um Freunde zu treffen, weil viele auf weitere Reisen noch verzichten. In Wien plant man etwa, die Bereiche der »Schanigärten« auszuweiten, damit in den Lokalen trotz der Sicherheitsabstände mehr Gäste Platz haben und die Betreibenden wieder mehr Einnahmen verzeichnen können. Auch in Graz soll als Unterstützung für die Gastronomie ein nicht unerheblicher Teil der Innenstadt in eine Gastrozone verwandelt werden. Der nicht-kommerzialisierte öffentliche Raum wird dadurch noch weiter zurückgedrängt.

Unsere Kolumne: Blick vom Maulwurfshügel – Illustration: Eva Sempere

Das sind aber nur die letzten Auswüchse der Kommerzialisierung und Privatisierung des öffentlichen Raums. Schon lange versuchen Stadtregierungen mit mehr oder weniger subtilen Mitteln unerwünschte Gruppen aus dem öffentlichen Raum zu verbannen und ihn dadurch »sauber« und attraktiv zu halten für kaufkräftige Gäste. Das beginnt mit Alkoholverbot oder Bettelverboten auf bestimmten Plätzen und findet seine Fortsetzung in verschiedenen technischen Lösungen. So werden etwa Bahnhöfe und andere Plätze, wo Jugendliche sich gerne treffen, mit unangenehmen, hohen Tönen beschallt, die nur für junge Menschen hörbar sind und ihnen den Aufenthalt vergällen sollen.

Auch manche Designer*innen folgen willig dem Ruf, zur Vertreibung unerwünschter Menschen aus dem öffentlichen Raum beizutragen, durch sogenanntes »hostile design«. Wir alle kennen die Bänke in Bahnhöfen und U-Bahnstationen, die so gestaltet sind, dass sich ja niemand hinlegen kann. Armstützen zwischen den einzelnen Sitzplätzen sind noch das geringste Übel, oftmals sind Sitzflächen geneigt oder gebogen, was auch das normale Sitzen oder auch nur das Abstellen von Taschen schwierig macht. Bei manchen Entwürfen fragt man sich, ob da überhaupt noch jemensch drauf sitzen kann. Und dann gibt es noch die fiesen Stacheln in Tornischen oder auf Fensterbänken, es könnte sich ja dort jemand hinsetzen oder vor Regen schützen.

Zum Glück gibt es auch das Gegenteil: Sofa­bänke mit Solarladestationen fürs Handy, breite einladende Sitzplätze an ruhigen, schattigen Plätzen in der Stadt, neben Brunnen, ohne Konsumzwang. Gerade auch dafür gibt es ein schönes Beispiel in Graz, ein großer Brunnen, in dem sich an heißen Tagen die Kinder tummeln, deren Eltern sich den Eintritt ins Schwimmbad nicht leisten können. Die Donauinsel in Wien gehört auch zu diesen allen zugänglichen Freiräumen.

Und manche halten es auch für möglich, dass es eine gesellschaftliche Folge der Krise sein könnte, dass die Menschen die Privatisierungsorgien des Neoliberalismus leid sind und vom Staat mehr Initiativen für die Rechte der Öffentlichkeit erwarten – auch gegen die Interessen der Wirtschaft, die bisher tabu waren.

Von Brigitte Kratzwald

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