30 Jahre Aufstand der Zapatistas

Nach vielen Jahren des geheimen Aufbaus der Zapatistischen Befreiungsarmee EZLN begann am 1. Januar 1994 in Chiapas, dem südlichsten und ärmsten Bundesland von Mexiko, ihr Aufstand für Land und Freiheit. Den Namen gab sich die Bewegung in Würdigung von Emiliano Zapata, einem Führer der mexikanischen Revolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Brigitte Kratzwald & Heinz Weinhausen

Nach Tagen der Kämpfe verkündeten die Zapatistas ihren einseitigen Waffenstillstand und ließen sich auf langwierige Verhandlungen ein. Als diese nicht zu den von ihnen gewünschten Ergebnissen führten, begann die Gründung eigener autonomer Regionen, in denen sie ein basisdemokratisches Regierungsmodell entwickelten. Über diese erste Zeit des Aufstandes berichtet Heinz Weinhausen auf Seite 9.

Die ersten zivilen Strukturen waren die »rebellischen autonomen Landkreise«. Mit der Etablierung der Caracoles 2003 wurden alle Funktionen von der EZLN an die zivile Basis übertragen. Als »Caracoles«, wörtlich »Schneckenhäuser«, werden die Zen­­tren der fünf autonomen Landkreise bezeichnet, in denen sich der »Rat der guten Regierung« trifft. Dorthin werden nach einem komplizierten Rotationssystem Delegierte aus den Gemeinden entsandt, die nicht nur Entscheidungen über alle wichtigen Themen treffen, sondern auch die Aufgabe der Rechtsprechung haben. Ab den 2000er Jahren gewannen in den Versammlungen und internationalen Treffen die Frauen an Bedeutung, die seither eine wichtige Rolle in der Bewegung spielen.

Gleichzeitig mit der Etablierung der eigenen Regierungsstrukturen luden die Zapatistas Menschen aus aller Welt zu »intergalaktischen« Treffen ein, um den Aufstand in die Welt zu tragen und internationalen Rückhalt zu bekommen. So versammelten sich 1996 zum ersten Treffen mehr als 3.000 Menschen aus aller Welt in Chiapas. So konnte einerseits die zapatistische Bewegung zur Inspirationsquelle für die globalisierungskritische Bewegung im Westen werden, andererseits diente diese globale Unterstützung auch der Sicherheit der zapatistischen Dörfer, die bis heute unter massiven Repressionen leiden. Viele Menschen aus der ganzen Welt kamen als Menschenrechtsbeobachter*innen nach Chiapas und trugen zapatistische Ideen in die westlichen Bewegungen. Zu großer Bekanntheit brachten es etwa das »gehorchende Befehlen«, das Ziel, »die Welt zu verändern, ohne die Macht zu übernehmen« oder die Vision »einer Welt, in der viele Welten Platz haben«.

Ein weiterer Schritt der interna­tionalen Vernetzung war die Reise für das Leben im Jahr 2021, die eine Delegation der Zapatistas nach Europa führte und zu einer Verstärkung der internationalen Soligruppen führte. Darüber berichtet das Netz der Rebellion auf Seite 10.

Heute sind die Zapatistas dabei, sich organisatorisch neu zu erfinden und eine neue gesellschaftliche Struktur aufzubauen. Diese Entwicklung beleuchten unsere Autor*innen Inés Durán Matute, John Holloway, Karla Sánchez Félix auf Seite 12. Über aktuelle Kämpfe gemeinsam mit dem CNI, dem nationalen Kongress der Indigenen in Mexico, gegen den Bau des sogenannten »Maya Zuges« durch ihr Gebiet schreibt das Recherche Team auf Seite 11. Über ein Projekt, das die Botschaft der Zapatistas mittels Kunst in die Welt tragen will, berichtet Brigitte Kratzwald auf Seite 10. Wir wünschen inspirierendes Lesevergnügen.

Das Titelfoto zeigt eine Arbeit von Rigo 23 aus der Ausstellung »Science Fiction(s) – Wenn es ein Morgen gäbe« im Weltmuseum Wien. Das Raumschiff steht für die Suche nach einer Welt in der viele Welten Platz haben. Foto: KHM-Museumsverband


Werft auch einen Blick ins Inhaltsverzeichnis der Januar-Ausgabe >>>

Ihr wollt eine oder mehrere Ausgaben der CONTRASTE bestellen?
Dann schreibt einfach eine Mail an: abos@contraste.org

Das könnte für dich auch interessant sein.