Die Zapatistas bereisen den Planeten

Ab Sommer 2021 will die Zapatistische Befreiungsarmee EZLN eine Delegation aus Mexiko in die ganze Welt schicken. Mit ihrer neuen Initiative wollen sie die Resignation durchbrechen und Hoffnung säen. Wie häufig in ihren Texten schließt ein kürzlich veröffentlichtes Kommuniqué rebellisch und gleichzeitig humorvoll: »Wir sind Zapatist*innen, Träger*innen des Virus des Widerstandes und der Rebellion. Als solche werden wir die fünf Kontinente bereisen.«

Luz Kerkeling, Gruppe B.A.S.T.A. Münster

»Der Plan der Zapatistas ist von historischer Tragweite: Es ist das erste Mal seit ihrem Aufstand von 1994, dass eine Delegation der EZLN andere Länder der Welt bereist. Am 1. Januar 1994 hatten die Zapatistas sich aus Anlass des an diesem Tag in Kraft getretenen nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA zwischen Kanada, Mexiko und den USA im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas gegen Ausbeutung und Unterdrückung erhoben. Zuvor mussten viele Menschen unter sklaverei-ähnlichen Bedingungen leben.

Die Zapatistas haben mit ihrer Rebellion viele Bereiche des Alltagslebens der Bevölkerung in Chiapas verbessert. Es wurden erfolgreich autonome Strukturen geschaffen. Das Spektrum umfasst Gesundheit, Bildung, Frauenrechte, Verwaltung, Produktion, Rechtsprechung, Medien und Umweltschutz.

Dort, wo die plurikulturell und indigen geprägte Bewegung der Zapatistas in Chiapas ihre basisdemokratische Politik gestalten kann, gibt es eine deutliche Verbesserung der Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung. Zudem war und bleibt die EZLN eine anti-systemische Massenbewegung, die zahlreiche linke Bewegungen in Mexiko und der Welt inspiriert und mit ihnen im Austausch ist.

Der Widerstand der zapatistischen Frauen

Die für den Sommer 2021 geplante Delegation wird hauptsächlich aus Frauen »und anderen Geschlechtern« bestehen, wie die EZLN bekannt gab. Die Kämpfe von Frauen haben schon seit vielen Jahren eine große Bedeutung in Mexiko. Es gibt äußerst viele Morde und Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen – aber auch viel selbst organisierten Widerstand: Bei einem von Zapatistinnen organisierten Treffen in dem von ihnen kontrollierten Territorium kamen 2019 über 8.000 Teilnehmerinnen aus der ganzen Welt zusammen, um den Widerstand gegen patriarchale Unterdrückung voranzutreiben.

Die Situation der indigenen Frauen war vor 1994 von sexualisierter Gewalt durch die Großgrundbesitzer – aber auch durch innerfamiliäre Unterdrückung – geprägt. Durch das entschlossene Engagement der Frauen konnten diese Missstände entscheidend zurückgedrängt werden. Heute sind die Zapatistinnen bedeutende Protagonistinnen der Bewegung und bekleiden viele Ämter. Doch sie betonen weiterhin, dass noch vieles fehlt, bis von wirklicher Gleichberechtigung gesprochen werden kann.

Ab Juli wird eine Delegation von rund 160 Personen unterwegs sein. Ein Teil der Reise soll per Schiff absolviert werden. Die Zapatistas haben den Plan, diverse europäische Länder zu besuchen. Damit wird symbolisch die vermeintliche »Eroberung« Lateinamerikas anti-kolonial konterkariert. Zudem betont die Bewegung, dass die indigene Bevölkerung niemals unterworfen werden konnte. EZLN-Sprecher Subcomandante Moisés erläuterte in einem Kommuniqué die Beschlüsse: »Dass wir nach dem Bereisen verschiedener Winkel Europas von unten und links am 13. August 2021 in Madrid ankommen werden, der Hauptstadt Spaniens – 500 Jahre nach der angeblichen Eroberung (spanisch: Conquista) dessen, was heute Mexiko ist.«

Begleitet wird die EZLN-Delegation von einer Gruppe des linksgerichteten, parteiunabhängigen Nationalen Indigenen Kongresses (spanisch: CNI) aus vielen anderen mexikanischen Bundesstaaten sowie einer Gruppe der Gemeindefront zur Verteidigung von Land und Wasser (FPDTA) aus Morelos, Puebla und Tlaxcala. Ein wichtiges Thema ist hier der Widerstand gegen mehrere neoliberale, technik-gläubige und weiß-männlich geprägte »Entwicklungsprojekte« wie zum Beispiel den »Maya-Zug« (spanisch: Tren Maya). Dieser soll Südmexiko – mittels einer neuen Zugtrasse von ca. 1.500 Kilometern – für Luxustourismus und die Plünderung der Naturressourcen erschließen.

Im Januar gab die mexikanische Regierung unter dem neoliberal-sozialdemokratischen Präsident Andrés Manuel López Obrador bekannt, dass der »Tren Maya« von der mexikanischen Armee »verwaltet« werden soll. »Verwaltung« bedeutet hier zweifellos auch militärische Durchsetzung durch binnenkoloniale Maßnahmen mit Unterstützung transnationaler Großkonzerne; doch der Widerstand dagegen wächst bei der betroffenen Bevölkerung, bei sozialen Bewegungen und Intellektuellen.

Ein anderes Mega-Projekt, das nach Analysen von Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen fatale soziale und ökologische Folgen mit sich bringen wird, ist der Bau einer Gaspipeline und zweier thermoelektrischer Kraftwerke im Bundesstaat Morelos nahe Mexiko-Stadt. Die Bevölkerung der Region befürchtet schwer kalkulierbare Risiken durch die Verschmutzung der Gewässer sowie durch den noch immer aktiven Vulkan Popocatépetl. Sie sind sicher, dass lediglich Unternehmen und der privilegierte Teil der urbanen Bevölkerung von dem Großprojekt profitieren werden. 2019 wurde hier der indigene Umwelt-, Sozial- und Medienaktivist Samir Flores ermordet, weil er in Morelos eine wichtige Stimme und Mitorganisator des Widerstands war. Die Zapatistas haben dazu eine klare Einschätzung: »Hier, in Morelos, synthetisiert sich die aktuelle Konfrontation in aller Welt: Geld versus Leben.«

In ihren aktuellen Kommuniques warnt die zapatistische Bewegung – auch in Bezug auf Corona – vor wieder erstarkenden Nationalismen und kriegerischen Handlungen, die laut ihrer Einschätzung dazu dienen, dass der Kapitalismus weiterhin funktioniert und wieder mehr konsumiert wird, auch wenn benachteiligte Bevölkerungsgruppen in vielen Ländern darunter leiden oder sogar sterben.

Die EZLN erkennt die große Vielfalt und teils auch die Unterschiede und Gegensätzlichkeiten linker Bewegungen an, betont in einem aktuellen Kommuniqué vom 1. Januar 2021 aber auch die wichtigen Gemeinsamkeiten, um die Arbeit an gemeinsamen Zielen zu stärken: »Eine Erklärung … für das Leben: […] Uns eint, dass wir uns den Schmerz der Welt zu eigen machen. Jeder Anspruch auf Homogenität und Hegemonie widerspricht der Essenz menschlicher Wesen: ihrer Freiheit. Die Gleichheit der Menschheit liegt in der Respektierung ihrer Differenz. In ihrer Differenz liegt ihre Ähnlichkeit. Das Hören und Sehen der Anderen erlaubt uns voranzuschreiten. Der Kampf für die Menschheit ist weltweit. […] Von einer der Brücken der Würde aus, welche die fünf Kontinente verbindet. Nosotr@s – Wir. Planet Erde. 1. Januar 2021.«

Die neue Initiative der Zapatistas trifft auf enormes Interesse. Das »Europa von unten und links« befindet sich seit Beginn der Bekanntmachung des Vorhabens in einem intensiven, außerparlamentarischen Organisierungsprozess hunderter Gruppen und Organisationen. Danach gehen die Reise und die Rebellion weiter…

Links:
www.gruppe-basta.de
www.ya-basta-netz.org
www.chiapas.eu

Zur Durchführung der Delegationsreise werden dringend Spenden benötigt. Bitte auf folgendes Konto:

Zwischenzeit e.V.
IBAN: DE91 4306 0967 0033 5767 00
BIC: GENODEM1GLS
Stichwort: »Spende Delegation Zapatistas«

Titelbild: F. – Ya-Basta-Netz

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