Wollmilchsau der Energiewende?

Energiegenossenschaften sind Suchende. Sie suchen nach neuen Geschäftskonzepten. Diese müssen zumindest zwei, besser drei Besonderheiten aufweisen. Sie sollten ihnen ermöglichen, die Anteile ihrer Mitglieder ertragsbringend einzusetzen, sie sollten helfen, ihre jetzigen oder zukünftigen Mitglieder mit umweltfreundlicher Energie zu versorgen, sie also nicht nur als Produzent*innen, sondern auch als Konsument*innen zu gewinnen. Als Drittes sollten sie die Energiewende CO2-frei voranbringen. Mit dem Möglichkeitsspektrum der kalten Nahwärme könnte diese »eierlegende Wollmilchsau« gefunden sein.

Burghard Flieger, Freiburg

Kalte Nahwärme wird gegenwärtig als zukunftsweisender Ansatz für die Wärmeversorgung besonders in Neubaugebieten »entdeckt«. Dahinter steckt ein simpler Konzeptansatz: Wärme über ein einfaches, nicht gedämmtes Nahwärmenetz zu den Endverbraucher*innen mit niedriger Vorlauftemperatur zu transportieren. In den einzelnen Häusern wird diese dann über Wärmepumpen auf die erforderliche Wärmetemperatur im Haus angehoben. CO2-neutral ist dies selbstverständlich nur, wenn der dafür genutzte Strom aus Erneuerbaren Energien stammt, im Idealfall von der PV-Anlage auf dem eigenen Dach. Mit diesem Grundprinzip wird gegenwärtig erfolgreich experimentiert. Woher die kalte Wärme (Wärme unter 20 Grad) kommt, dafür gibt es bereit ein breites Spektrum an Varianten. Dies reicht vom Grundwasser über einen Eisspeicher bis hin zu horizontalen oder vertikalen Erdsonden. Damit solche Konzepte erfolgreich werden, ist das Zusammenspiel von mindestens drei Akteuren notwendig: Erstens Kommunen und Gemeinden, die Klimaneutralität als Anforderung bei neuen Baugebieten als Voraussetzung beschließen, zweitens Ingenieur- und Planungsbüros, die über das Wissen verfügen, kalte Nahwärmeprojekte von der Planung bis zur Umsetzung kompetent zu begleiten und drittens Energiegenossenschaften, die als Betreiberinnen mit Bürgerbeteiligung die Bewohner*innen einbinden und damit nicht nur Akzeptanz, sondern auch Sicherheit vor überhöhten Wärmepreisen ermöglichen.

Kalte Nahwärme benötigt, um klimaneutral geliefert zu werden, Erneuerbare Energie aus Wind und Sonne. Foto: Inka Lankenau / Bürgerwerke eG

Der Themenschwerpunkt »Kalte Nahwärme – genossenschaftlich organisiert« versucht, in die nicht immer einfache Thematik einzuführen. Als Rahmen dienen zwei Stränge. Zum einen erfolgt ein Einstieg, wie und bei welchen Energiefragen Prosument*innen im Energiesektor eine wichtige Rolle spielen können. Herbert Klemisch stellt dazu ein anwendungsorientiertes Forschungsprojekt vor. Ein zweiter Einstiegsartikel führt anhand eines Überblicks zu einem Seminar in die Grundlagen der kalten Nahwärme ein. Am Ende des Schwerpunkts werden kurz die Anforderungen skizziert, was dies für die Organisation von Energiegenossenschaften bedeutet, wenn sie das Geschäftsfeld kalte Nahwärme für sich erschließen wollen.

Im Mittelpunkt des Schwerpunkts stehen konkrete genossenschaftliche Beispiele. Dabei geht es um Genossenschaften, die hier eine Pionierfunktion übernommen haben. Auch über die Erfahrungen mit einem gescheiterten Projekts wird berichtet. So wird deutlich, dass noch zahlreiche weitere Projekte erforderlich sind, bevor kalte Nahwärme zur »eierlegenden Wollmilchsau« für Fortschritte bei der Energiewende durch Energiegenossenschaften werden kann. Die Beispiele der Bürger-Energie Fischerbach eG und der Bürger-Energie-Genossenschaft Neuburg-Schrobenhausen-Aichach-Eichstätt eG zeigen: Es geht, aber auch dieser Weg »wird kein leichter sein«.


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Bürgerenergiegenossenschaften
Kalte Nahwärme: einfache Technik

Seite 10
BEG: Lernen am Projekt
Allershausen: ein gescheitertes Projekt

Seite 11
Interview: Ein Eisspeicher als Pilotprojekt

Seite 12
Wärmenetze 4.0 als neues Geschäftsfeld
Tagesseminar: Kalte Nahwärme

Titelbild: Gemeinde Schlier

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