»Die Fabrik ist ein Teil von uns«

Die Geschichte von Ceramiche Noi beginnt im August 2019: Die Arbeiter*innen der Firma Ceramisia in Città di Castello (Stadt in der italienischen Region Umbrien) wurden über die geplante Verlagerung ihrer Keramik-Produktion nach Armenien informiert. Die elf Angestellten beschlossen, in ihre eigene Zukunft und in die Zukunft der Region zu investieren – und gründeten eine Genossenschaft, um »ihre« Firma zu übernehmen.

Mirko Loche, Perugia

»Wir hatten zwei Wege vor uns«, sagt Marco Brozzi, Präsident der Genossenschaft, »der eine, der einfachste, zumindest dem Anschein nach, bestand darin, sich den Tatsachen zu fügen, die Arbeitslosigkeit und die Hindernisse bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz in Kauf zu nehmen; der andere, der mühsamere und steilere Weg, bestand darin, das Unmögliche zu versuchen: auf uns selbst zu setzen, auf unsere Fähigkeiten und das Unternehmen zu übernehmen«.

So schlossen sich die Arbeiter*innen in einer Genossenschaft zusammen, gründeten Ceramiche Noi, verzichteten auf Arbeitslosengeld und Abfindungen und investierten 180.000 Euro, um die von den alten Eigentümern verwendeten Maschinen zu kaufen und die Produktionshalle zu mieten. Die Entschlossenheit und Einigkeit der Arbeiter*innen zeigt sich auch in ihrem Slogan »Alle für einen, ein Traum für alle«, den sie sich gleich zu Beginn ihres Abenteuers zusammen mit ihrem Firmenlogo auf die Haut als Tattoo stechen ließen.

»Nichts wäre möglich gewesen«, sagt Lorenzo Giornelli, Vertriebs- und Marketingleiter, »ohne die großartige Hilfe von Legacoop Umbria, Coopfond und Cooperazione Finanza Impresa. Sie haben uns in der Gründungsphase und bei der späteren Entwicklung der Genossenschaft begleitet«. Die Wiederbelebung des Unternehmens gelang dank eines »Workers BuyOut« (WBO). So wurden die Arbeiter*innen zu Unternehmer*innen und gründeten eine Produktions- und Arbeitsgenossenschaft. »Ceramiche Noi hat Charakter, Mut und eine Vision für die Zukunft bewiesen«, so Matteo Ragnacci, Präsident von Legacoop Produzione e Servizi Umbria. »Das ist es, was wir von unseren genossenschaftlichen Unternehmen verlangen: zu versuchen, in die Zukunft zu blicken und die besten Werkzeuge zu finden, um sie zu meistern. Wir wollen Arbeitsplätze, Kompetenzen und das sozioökonomische Gefüge der lokalen Gemeinschaften erhalten.«

Bei Ceramiche Noi in Umbrien (Italien) werden Keramiken handgefertigt. Foto: Mirko Loche

In kurzer Zeit gelang es, alte Kunden zurückzugewinnen, 90 Prozent von ihnen in den USA, ohne die Produktion zu stoppen, indem man diese mit vollem Einsatz wieder aufnahm und sogar 14 Stunden pro Tag arbeitete. »Wir haben eine Herausforderung gemeistert«, fährt Giornelli fort, »die Begeisterung war stärker als die Verzweiflung. Wir arbeiten härter und es gibt viele Probleme zu lösen, aber heute fühlen wir, dass diese Fabrik uns gehört, wir lieben sie, sie ist ein Teil von uns. Wir sind eine Familie von Arbeitnehmern und Unternehmern«.

Inzwischen hat sich die Belegschaft von elf auf 22 Mitglieder vergrößert (neun davon sind Frauen), was eine Verdoppelung der Belegschaft in vier Jahren bedeutet. Aber es gab viele Schwierigkeiten, denn nach dem Neustart kam die Covid-Pandemie. Die Genossenschaftler*innen erzählen: »Wir waren vorsichtig, um nicht krank zu werden. Als der Lockdown begann, mussten wir Lieferungen einhalten. Unser Glück war, dass unser Hauptkunde in den USA seinen Umsatz steigerte, weil er online tätig war, also machten wir weiter. Natürlich sind andere Kunden ausgefallen, aber wir haben durchgehalten und auch das überstanden«.

Aktuell sind die hohen Kosten für Methangas ein Problem, denn die Öfen laufen 24 Stunden am Tag. »Wir stellen uns dieser Energiekrise«, sagt der Vorstand der Genossenschaft, »und versuchen, die Handwerkskunst des Made in Italy wiederzubeleben. Wir haben uns gegen die Verlagerung nach Armenien durchgesetzt, wir haben die Covid-Pandemie überwunden, und jetzt überwinden wir auch diese Krise. Wir sparen an allem, was wir einsparen können, wir stehen morgens früh auf, um das Tageslicht optimal zu nutzen, und schalten die Gebläse so wenig wie möglich ein. Kleine Maßnahmen, die auf lange Sicht helfen. Wir haben die Öfen auf Flüssiggas umgestellt und kommen damit aus. Niemand hält uns mehr auf. Nichts erschreckt uns.«

Unterstützt durch das Medienecho, das die Übernahme des Unternehmens auslöste, folgten zahlreiche Preise, zum Beispiel in Cannes, wo Ceramiche Noi als Symbol für Beharrlichkeit ausgezeichnet wurde. Dank des Präsidenten Marco Brozzi und des sehr aktiven und vielseitigen Geschäftsführers Lorenzo Giornelli gab es viele Ideen für die Wiederbelebung, unter anderem die Patentierung eines innovativen antibakteriellen Tellers.

»Wir sind glücklich«, sagt Matteo Ragnacci von Legacoop, »dass ein Unternehmen, das von der Schließung bedroht war, es jetzt geschafft hat. Außer in den Vereinigten Staaten ist es dank der Hartnäckigkeit seiner Mitarbeiter*innen auch auf dem italienischen Luxusmarkt, in Israel und in Südkorea wieder aktiv geworden«.

Link: https://ceramichenoi.it/en


Titelbild: Den Slogan »Alle für einen, ein Traum für alle« ließen sich die Mitarbeiter*innen von Ceramiche Noir zu Beginn ihres Abenteuers zusammen mit ihrem Firmenlogo als Tattoo stechen. Foto: Mirko Loche

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