System Change Camp

Ende Gelände ist bekannt für spektakuläre Aktionen, Blockaden und Besetzungen gegen den Braunkohleabbau und neuerdings gegen LNG-Flüssiggas-Terminals. Widerstand allein reicht nicht, diese Erkenntnis ist in der Bewegung inzwischen zum Allgemeingut geworden. Es braucht einen grundlegenden Systemwandel, möglichst hier und heute beginnend. So finden seit dem letzten Jahr Aktivist*innen für eine Woche zur Reflexion und Strategiebildung zusammen. Diesen Sommer waren es im Hannover-Camp an die 1.000 Teilnehmer*innen.

Heinz Weinhausen, Redaktion Köln

Das vielfältige Programm war beeindruckend. Sieben Tage lang 200 Workshops, 30 pro Tag. Allein dies bedeutet schon viel Organisation und Tatkraft. Dazu die Gemeinschaftszelte zu beschaffen, auf und abzubauen, dann die vielen Mahlzeiten schmackhaft zuzubereiten. Das Infozelt muss besetzt sein, dann der Care-Bereich, die AG Öffentlichkeit und vieles mehr. Und all das tauschlogikfrei, beitragen auf freiwilliger Basis. Alle sind eingeladen und sind angesprochen, sich einzubringen, von der Toilettenreinigung bis zum Spüldienst. Hier hat sich in den vielen Jahren der Ende Gelände-Aktionscamps schon eine selbstverständlich gewordene Mitmach-Tradition herausgebildet.

Warum ein solch kooperatives Miteinander nicht als Impuls für einen alltäglichen System Change nutzen? Dieser rote Faden zog sich durch die vielen Workshops und Diskussionen. Einerseits ging es darum, gleiche Augenhöhe für alle gegen herrschaftliche Strukturen durchzusetzen, zum Beispiel in antikolonialen Initiativen. Dann gemeinsam den Kapitalismus technologisch umzubauen, natürlich weg von der CO2-Freisetzung bei Energie und Verkehr. Eine nachhaltige Ernährung und Landwirtschaft gilt es zu fördern. Wie stellt sich die Ende Gelände-Bewegung intern auf, wie einander unterstützen? In etlichen Workshops wurde strategisch groß gedacht. Wie kann denn Kapitalismus überwunden werden, wie kann sich eine andere Gesellschaft ganz anders aufstellen, wie organisiert werden? Kann eine Zusammenarbeit mit Parteien einen solchen Prozess voranbringen?

Die große Stärke und gleichzeitig die Schwäche des Ende Gelände-Camps war es, dass alle Strömungen gleichberechtigt ihre Anliegen und Vorschläge einbrachten. Aber es blieb ein Nebeneinander. Hervorzuheben ist die Initiative der Allianz-Gruppe, die das Nebeneinander, teils das Bekämpfen untereinander, in ein gut zusammenarbeitendes Aktionsbündnis wandeln will.

Im CONTRASTE-Schwerpunkt geht es einerseits um Einblicke in das Camp selbst, zum anderen um zwei Workshops mit weitblickenden strategischen Positionen, nämlich um ein WIE und ein WAS von System Change. Welche verschiedene Ebenen gibt es bei gesellschaftlichem Wandel und wie können diese zusammenwirken? Was bedeutet Radikalität, welche tiefliegenden Wurzeln des Kapitalismus müssen untergepflügt werden, dass Neues gedeihen kann? Diese Standpunkte sind als Impuls gedacht, den gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben.

Link: www.ende-gelaende.org

Titelbild: Veranstaltungszelt vom Ende Gelände Camp 2022. Foto: Pay Numrich/feinfrisch.net

Hinweis: Fotos vom diesjährigen Camp waren von Ende Gelände zum Drucktermin der CONTRASTE noch nicht freigegeben, weswegen nun Fotos vom Ende Gelände Camp 2022 verwendet wurden.


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