Radtour für Verkehrswende

Unter dem Motto »Cycling for Change« tourt Tobi Rosswog – größtenteils mit dem Fahrrad – durch Deutschland, Österreich und die Schweiz, um das »Aktionsbuch Verkehrswende« vorzustellen. CONTRASTE ist Medienpartner und hat ihn auf den österreichischen Etappen begleitet.

Brigitte Kratzwald, Redaktion Graz

Sieben Tage nach der Auftaktveranstaltung in Leipzig trifft Tobi gegen 18 Uhr aus München in der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen (JBZ) in Salzburg ein. Warum er denn diese ungewöhnliche Art der Vortragstour gewählt habe? »Eigentlich hatte ich schon seit zehn Jahren vor, eine Aktions-Fahrradtour zu machen«, erzählt er, »aber immer sind große Projekte dazwischen gekommen. Nun hat sich endlich das Möglichkeitsfenster geöffnet. Radfahren ist einfach ein schöne Art der Fortbewegung und es ergeben sich ganz andere Qualitäten der Begegnung.«

Über das weitläufige Netzwerk der Pioneers of Change hat Tobi Menschen gesucht, die sich um die Organisation der Veranstaltungen kümmern und so hat die Anfrage Guido vom Gemeinschaftswohnprojekt »Gut überdacht« erreicht. Der war sofort bereit, sich der Sache anzunehmen, er sah viele Gemeinsamkeiten mit den Werten seines Wohnprojekts, und wandte sich an Hans Holzinger von der JBZ, denn diese Veranstaltung sollte dorthin »wo die Zukunft zuhause ist«. Hans stellt gern die Räume der JBZ zur Verfügung, denn »als ich die Ankündigung gelesen habe, hab ich mir sofort gedacht, das passt sehr gut zu uns als Einrichtung einer kritischen und kreativen Zukunftsforschung, das hätte auch Robert Jungk sehr gefallen«. Mit der Radlobby Salzburg wurde noch ein weiterer Partner an Bord geholt.

Lebendige Erzählungen

Der Titel des Abends ist »Anders leben, wirtschaften und mobil sein«, es geht also nicht nur um Verkehr, sondern grundsätzlich um ein Leben jenseits kapitalistischer Tausch- und Wettbewerbslogik und auch dafür ist Tobi der richtige »Experte«. Die Erfahrungen von drei Jahren Leben ohne Geld, der Gründung des Netzwerks Living Utopia und einer Vielzahl von tauschlogikfreien Projekten sorgen für ausreichend Stoff zum Erzählen. Denn das ist es, ein großartiger und motivierender Erzählabend. Ohne moralischen Zeigefinger, ohne langweilige und erschreckende Zahlen und Fakten erzählt er seine persönliche Geschichte und die anderer Initiativen, voll Energie und gespickt mit Pointen, die die Absurdität der aktuellen Situation auf den ersten Blick deutlich machen.

Subversive Aktionen

So ist auch das Aktionsbuch aufgebaut. Fakten und technische Details zur notwendigen Verkehrswende gibt es zur Genüge, in dem Buch werden Beispiele gezeigt, wie Menschen diese selbst in die Hand nehmen können, Regierungen und Unternehmen zum Handeln zwingen, Bewusstsein schaffen, Diskurse verändern oder überhaupt erst anstoßen. Die vorgestellten Aktionsformen sind von unterschiedlicher Radikalität und oftmals subversiv, so dass für alle etwas dabei ist.

So kann man zum Beispiel Zebrastreifen oder Radwege einfach über Nacht selber malen, wenn die Stadtverwaltung es nicht tut. Meist freuen sich die Anwohner*innen und manchmal zieht die Verwaltung sogar nach. Manchmal reagiert sie auch verwundert auf den über Nacht entstandenen neuen Radweg, der fleißig genutzt wird. Man hätte die Notwendigkeit nicht erkannt, weil da ja vorher kaum Fahrräder unterwegs waren. Das sei ja auch kein Wunder, meint Tobi, Radwege ziehen Radfahrer*innen an wie Straßen Autos. »Im Dannenröder Forst sind ja auch nicht besonders viele Autos unterwegs gewesen, bevor es eine Straße gab.«

Für Lacher sorgten auch die Berichte über Aktivitäten der Kommunikationsguerilla. Da tauchte etwa ein Plakat auf, das ankündigte, das private Verkehrsunternehmen Metronom wolle für eine Woche den Nulltarif einführen. Es gab auch die entsprechende Webseite dazu, Flyer wurden verteilt, alles wirkte so realistisch, dass sogar die Schaffner*innen halfen, die Flyer unter die Fahrgäste zu bringen. Erst Stunden später meldete sich der Pressesprecher des Unternehmens zu Wort: Das sei zwar sehr gut gemacht, aber es sei eine Falschmeldung. Für drei Tage gab es dann trotzdem Freifahrt, weil man die Dynamik so schnell nicht mehr einfangen konnte.

Dann erfahren wir doch auch noch, welche vier Säulen zu einer gelingenden Verkehrswende gehören: Kurze Wege, autofreie Zonen, attraktive Fußgängerzonen und gut ausgebauter und kostenfreier öffentlicher Verkehr.

»Zugjoker« für weite Strecken

Die Veranstaltung wird gestreamt, auch online schauen viele Menschen mit. Wegen der großen Entfernungen nutzt Tobi auf der Strecke durch Österreich und die Schweiz den »Zugjoker«. Und am nächsten Tag, auf dem Weg zum Bahnhof, wird Tobi mehrmals von unbekannten Menschen auf den »tollen Vortrag gestern« angesprochen.

Einen ebenso informativen und unterhaltsamen Abend gibt es am nächsten Tag im Stadtpark in Innsbruck. Dort hat eine Umweltgruppe von Studierenden im Rahmen der Nachhaltigkeitstage der Uni, ebenfalls gemeinsam mit Kooperationspartnern, eine Open Air-Veranstaltung organisiert und hat Glück: Es ist der erst laue Sommerabend des Jahres, auf den bereitgestellten Liegestühlen und im Gras sitzen und liegen die Zuhörer*innen und schauen auf die große Leinwand. Strom für Lautsprecher und Beamer wird dem Thema entsprechend mit Fahrrädern erzeugt, vom ersten Tiroler »Radlkino«.

Und am nächsten Tag geht es schon wieder weiter, über Zürich und Basel zurück nach Deutschland. Tschüß und alles Gute, Tobi!

Titelbild: Hans Holzinger und Tobi Rosswog bei der Ankunft in Salzburg. Foto: Carmen Bayer / JBZ

Links:
cycling-the-change.de
oekom.de/buch/aktionsbuch-verkehrswende-9783962383541
jungk-bibliothek.org
cubic-online.eu/projekte/radlkino

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