Liebe und Geld

Vor zwei Jahren kam mir eine alte Bekannte auf dem Fahrradweg entgegen und erzählte mir, dass sie jetzt einen wirklich einfühlsamen und liebevollen Freund gefunden habe, der sie bald zu sich nach Florida holen würde. Er sei ein bekannter amerikanischen Filmschauspieler, der sie erst persönlich kennenlernen möchte, wenn sie finanziell abgesichert sei. Deswegen habe er sie in einer amerikanischen Künstlerkasse angemeldet, die Geld von ihren Mitglieder sammelt, an Bedürftige von ihnen weitergibt und ihr bald einen Scheck über 50.000 Dollar zurück überweisen werde.

Unsere Kolumne: Blick vom Maulwurfshügel
Illustration: Eva Sempere

Seitdem traf ich sie öfter – der »Freund« war noch immer nicht gekommen, aber sie hatte immer wieder Geld in Form von Geschenkgutscheinen überwiesen. Für mich stand fest, dass sie das Opfer eines Love-Scamming-Rings geworden war. Solche Betrügerringe sind der Polizei bekannt. Sie arbeiten als kleine professionelle Teams meist von West-Afrika aus, benutzen Fotos aus dem Internet, um mit einer fingierten Identität dort Kontakte zu finden. Wenn sie eine vertrauliche, liebevolle Beziehung aufgebaut haben, bringen sie ihre Opfer dazu, mehr oder weniger große Geldsummen zu überweisen. Das Versprechen neben der Liebesbeziehung ist die Rückzahlung einer größeren Geldsumme, die dem Opfer ein gutes Geschäft verspricht.

Die enge Verbindung von Geld und Emotionen kennen wir aus der Werbung. Beim Love-Scamming kommt noch die persönliche Bindung und das großartige Geldversprechen hinzu. Die vorprogrammierte Enttäuschung ist damit besonders schmerzhaft. Die Scham, in seinen intimsten Bedürfnissen und Fantasien betrogen worden und auf das Geldversprechen hereingefallen zu sein, hält die Opfer jahrelang in fast unauflösbarer Abhängigkeit, aus der sie sich »von außen« nicht befreien lassen wollen.

Heiratsschwindel ist sicher kein modernes Phänomen. Neu ist allerdings die brutale Ausnutzung der modernen Sehnsüchte der Menschen. Durch den vorgetäuschten intensiven Kontakt erleben die Opfer Resonanz (Hartmut Rosa). Sie glauben, echte Liebe und Dankbarkeit zu spüren und für jemanden ganz wichtig zu sein. Jede hart abgesparte Geldsumme hindert sie dann zusätzlich daran, den Betrug für sich zu erkennen und einzugestehen. Die Verbindung von Liebe und Geld ist so stark, dass die Betrüger*innen sich auch die unwahrscheinlichsten Versprechen erlauben können.

Dass ein bekannter amerikanischer Filmschauspieler und Millionär gerade eine unbekannte Frau aus Deutschland zu seiner fernen Geliebten auserkoren hat: Eine solch absurde Liebesgeschichte wäre für die Menschen in vormoderner Zeit nur als Märchen vorstellbar gewesen. Erst der moderne narzisstische Größenwahn erlaubt es Menschen, sich in der Fantasie so weit von ihren realen Erfahrungen wegzubewegen.

Immer wieder versuchte ich meine Bekannte auf den Betrug hinzuweisen, gab ihr polizeiliche Empfehlungen und Erfahrungsberichte. Aber sie antwortete stets: »Ich bin sicher, dass mein Freund mich nicht im Stich lässt. Er kämpft dafür, dass ich mein Geld bekomme und er mich dann persönlich kennenlernen kann.«

Uli Frank

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