Mietshäuser Syndikat

»Menschenwürdiger Wohnraum, das Dach überm Kopf, für alle!« lautet einer der Grundsätze des Mietshäuser Syndikats. Seit bald 30 Jahren schließen sich selbstorganisierte Hausprojekte in diesem Verbund zusammen, um dem privateigentümelnden Immobilienmarkt eine solidarische Perspektive entgegenzusetzen. Bereits 2003 widmete die CONTRASTE dem Syndikat einen Schwerpunkt. Und wo steht das Mietshäuser Syndikat heute? Zeit für einen neuen Blick in dieses vielfältige Netzwerk!

Sophie Kempe, Redaktion Kassel und Veit Wolfer, Mietshäuser Syndikat

1992 ist das Mietshäuser Syndikat (MHS) aus dem bewegten Häuser- und Mietkampf um die Grether’sche Fabrik in Freiburg hervorgegangen. Die damals festgelegten Grundsätze bilden auch fast 30 Jahre später noch den Kern der Syndikatsidee: Gemeineigentum an Haus und Grund, bezahlbarer Wohnraum für alle und die Solidarität zwischen den selbstorganisierten Hausprojekten. Alle Syndikatsprojekte vereint der kollektive Wunsch nach einem Haus, in dem es sich selbstbestimmt leben oder arbeiten lässt, dem nicht irgendwann die Zwangsräumung oder Abrissbirne droht. Dass dies auch ohne Privateigentum an Immobilien möglich ist, zeigen die inzwischen 161 MHS-Projekte – Tendenz stark steigend.

Die gemeinsame Idee wird auf vielfältige Weise vor Ort gelebt: Vom Kleinprojekt mit vier Menschen bis zu großen Wohnanlagen mit 275 Bewohner*innen oder rein gewerblich genutzten Häusern. Hinzu kommen zwei Entwicklungen, die besonders in den größeren Städten ins Auge fallen: Mehr Mieter*innengemeinschaften schließen sich zusammen – oft durch den drohenden Verkauf ihres Mietshauses alarmiert – und wenden sich an die Beratungsstrukturen des Syndikats, um ihr Haus kollektiv zu übernehmen. Des Weiteren finden sich vermehrt Gruppen zusammen, die trotz der hohen Anfangsinvestition einen Neubau errichten wollen anstatt einen bröckelnden Altbau aufwendig zu sanieren. Mit der Syndikatstiftung hat das MHS zudem ein neues Werkzeug für die Vergesellschaftung von Grund und Boden, mit dem es neuen Hausprojektgruppen zusätzlich finanziell unter die Arme greifen will.

Neben diesen konkreten Projekten engagiert sich das Mietshäuser Syndikat in den letzten Jahren verstärkt auf politischer Ebene und setzt sich für die Interessen des gemeinschaftlichen und selbstverwalteten Wohnens ein, beispielsweise indem es für solidarwirtschaftliche Projekte Ausnahmen im Kleinanlegerschutzgesetz aushandelt oder dafür sorgt, dass das Syndikatsmodell gleichberechtigt neben Baugruppen oder Genossenschaften bei Grundstücksvergaben berücksichtigt wird. Lobbying für eine Stadt für alle.

Ungeachtet des starken Wachstums des Projektverbundes sind es nach wie vor die vielen Engagierten in den Hausprojekten, die das Syndikat mit Leben füllen und sich unentgeltlich für die Ideen des Syndikats einsetzen. Bis heute gibt es im MHS nur eine halbe, bezahlte Stelle. Mit dem Wachstum wurden jedoch auch die Selbstverwaltungsstrukturen ausgebaut: dezentral organisierte, regionale Beratungen und Koordinationen übernehmen heute größtenteils die Beratung neuer Hausprojekte vor Ort. Darüber hinaus wird in Arbeitsgruppen Wissen ausgetauscht und themenbezogen diskutiert, wie sich das Syndikat weiterentwickeln kann.

»Expansion oder Zellzeitung: sind neunzehn (…) Haus-Projekte bereits zu viel? Oder nur die winzige Keimzelle eines großen solidarischen Zusammenhangs, der prinzipiell auch tausend Mietshäuser in Selbst­organisation aufnehmen kann?« Die bereits 2003 in der CONTRASTE gestellte Frage ist auch heute noch unbeantwortet. Aber in den nächsten 30 Jahren bleibt genug Zeit, das herauszufinden.

Link: www.syndikat.org

Titelbild: Das 3HäuserProjekt in Freiburg im Sommer 2017: Die Banner am Gerüst machen deutlich, welche Ziele das Mietshäuser Syndikat verfolgt. Foto: Frank Mayer


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