Linke Medien in Deutschland retten

»Lebt und lest… radikal« – so lautete früher der Werbeslogan der Autonomenpostille »radikal«. Seit mehreren Jahren ist diese umstrittene Zeitschrift, die einst als »Sozialistische Zeitung« in Westberlin gegründet wurde, nun nicht mehr erschienen – und lebt nur noch als Erinnerung und Mythos weiter. Seit Jahren ist ein akutes Sterben linker (Print-)Medien zu bemerken und damit auch ein Bedeutungsverlust dieser, sowohl auf gesamtgesellschaftlicher Ebene als auch für die einzelnen Nischen.

Maurice Schuhmann, Berlin

Der Medienmarkt wandelt sich seit Jahren extrem. Immer mehr Printprodukte werden eingestellt, weil sie für die Mutterkonzerne nicht genügend Profit abwerfen, oder gehen aus mangelnder Finanzierung durch Einnahmen aus Abos, Verkauf und Spenden ein. Gerade im linken Bereich haben wir seit Jahren ein Sterben von Publikationen bzw. eine Umstellung auf reine Onlineprojekte zu verzeichnen. Zeitschriften wie die antifaschistische »Blick nach Rechts« oder die anarchosyndikalistische »Direkte Aktion« existieren seit mehr als einem Jahrzehnt nur noch als Onlineausgabe; das sozialwissenschaftlich-orientierte linke Magazin »Katapult« und »Melodie & Rhythmus« wurden vor nicht allzu langer Zeit eingestellt. Gleichzeitig gibt es im rechten Spektrum eine Gegenbewegung. Hier verzeichnen die Publikationen noch partiell Auflagensteigerungen (im Falle der ›rechtskonservativen‹ »Jungen Freiheit«) und es kommt immer wieder mal zu Neugründungen von Printmedien. Daran ändert sich auch nichts durch die Verbannung von Publikationen wie der rechtsextremen »Compact« aus dem Bahnhofsbuchhandel.

Die Medien haben immer eine wichtige Rolle in der bunt gefächerten linken Szene gespielt. Die ersten anarchistischen Gruppen in Deutschland des 19. Jahrhunderts entstanden in Form von Lesekreisen rund um ausländische anarchistische Printmedien. Die Autonomen erhielten ihren Namen in Anlehnung an eine Zeitschrift (»autonomia«) und die Gründung der Tageszeitung taz stellte einen Meilenstein linker Vernetzung dar. Der Rückgang von linken (Print-)Medien ist allerdings mehr als nur ein kultureller Wandel. Es ist auch ein Zeichen der derzeitig desolaten Lage der gesamten linken Szene. Dabei sind die Zeitungen und Zeitschriften von sehr großer Bedeutung – für Information, Austausch und Vernetzung. Das vielbeschworene Internet kann dies vermeintlich zwar besser gewährleisten, aber es gibt bis heute grundlegende Unterschiede zwischen der Online- und Printlektüre.

Studien belegen immer wieder, dass wir Texte am Bildschirm weniger konzentriert lesen als auf Papier. Die Inhalte bleiben weniger im Gehirn hängen und wir werden schneller abgelenkt – zum Beispiel durch Hyperlinks. Selbst die Länge der Texte, die wir konzentriert lesen können, unterschiedet sich. Lange Zeit galt als Regel, dass ein online veröffentlichter Text nicht mehr als 10.000 Zeichen (umgerechnet eine Seite in der CONTRASTE) lang sein darf, damit er überhaupt gelesen wird. Längere Texte am Bildschirm zu konsumieren, fällt uns schwer. Die Liste ließe sich noch um ein paar Punkte ergänzen…

Der sich stetig vollziehende Wandel der Mediennutzung ist natürlich nicht aufzuhalten und sollte es auch nicht werden. Dennoch scheint es – sowohl im Rahmen dieses Wandels als auch in einer Zeit, wo wir im Internet ständig mit Fake News konfrontiert werden – noch wichtig zu sein, dass wir über Medien verfügen, die jenseits von Algorithmen Informationen verbreiten und deren Gehalt zumindest ein Stück weit durch Redakteur*innen vor der Verbreitung überprüft und gegebenenfalls auch sprachlich redigiert werden.

Aus diesem Grund möchte ich hier zur Rettung und Unterstützung akut bedrohter linker Zeitungsprojekte – nicht nur der CONTRASTE – aufrufen. Die Satirezeitschrift »Titanic«, die auch lange in ihrer Existenz bedroht war, wurde bereits erfolgreich gerettet. Viele der Zeitschriften bieten Probe-Abos oder zumindest Probehefte an. Vereinzelt gibt es die Zeitschriften auch an Kiosken, in linken Buchhandlungen oder im Bahnhofsbuchhandel.

Es ist auch hier nur eine kleine und subjektive Auswahl. Es sind leider weitaus mehr Zeitungsprojekte bedroht.


Graswurzelrevolution

Die seit 1972 erscheinende »Graswurzelrevolution« ist mit die letzte, wenn nicht gar die letzte, anarchistische Zeitschrift im Print-Format. Aus gewaltfrei-anarchistischer Sicht wird monatlich kompetent über Politik und Kultur berichtet. Daneben erscheint zweimal jährlich eine kostenfreie Beilage zur jeweiligen Buchmesse – die Libertären Buchseiten. Antimilitarismus, Ökologie und Feminismus sind wichtige Themen, die aus einer anarchistischen Perspektive beleuchtet werden.

Link: https://www.graswurzel.net


ila

Die Informationsstelle Lateinamerika in Bonn gibt seit 50 Jahren eine gleichnamige Zeitschrift, die »ila«, heraus. Sie dürfte eine der wichtigsten, emanzipatorischen Publikationen zu dieser Thematik im deutschsprachigen Raum sein. Ähnlich wie die CONTRASTE oder die Graswurzelrevolution lebt sie von der ehrenamtlichen Unterstützung von vielen freien Mitarbeiter*innen. Dennoch ist auch sie gerade existenziell in ihrer Existenz bedroht.

Link: https://www.ila-web.de


konkret

Die Zeitschrift »konkret«, die einst mit Mitteln aus der DDR finanziert wurde, war eines der Leitmedien der Studierendenbewegung um 1968. Sie machte damals als eines der ersten Magazine die Abbildung nackter Körper auf dem Cover hoffähig. Zur Redaktion gehörte unter anderem Ulrike Meinhof vor ihrer Zeit als RAF-Aktivistin und später auch der Publizist Jürgen Elsässer, bevor er nach rechts abdriftete und das Compact-Magazin gründete. Als linkes, streitbares Monatsmagazin ist es kaum aus dem Potpourri linker Medien wegzudenken. Ein interner Streit, der mit einem offenen Brief von ehemaligen Autor*innen einherging, hat die Situation verschärft. Damit das Magazin weiterexistieren kann, werden circa 2.000 neue Abos benötigt.

Link: https://konkret-magazin.de


Missy Magazine

Auch im Bereich der feministischen Presse kriselt es. Das Missy Magazine, ein feministisches Magazin, welches sich der Berichterstattung aus Perspektiven von BPoC-Feminist*innen verschrieben hat, kämpft ums Überleben. Die Einstellung jenes Magazins wäre ein herber Verlust – nicht nur im feministischen Diskurs, wo ein feministisches Flaggschiff wie die Emma immer wieder problematische Positionen zu feministischen Themen vorbringt.

Link: https://missy-magazine.de


nd. Der Tag

Das einstige SED-Blatt »Neues Deutschland« (nd) hat mit viel Mühe die Wendezeit überstanden und sich im Gegensatz zur mittlerweile verknöcherten kleinen Schwester »Junge Welt«, deren Genossenschaftskonzept bislang aufzugehen scheint, dem linken Pluralismus geöffnet. Nun droht ihr das Aus, wenn nicht genügend Abos und Spenden eingehen. Als Sparmaßnahme wurde schon die tägliche Ausgabe aus dem Kioskverkauf genommen. Hier gibt es nur noch die Wochenausgabe zu kaufen. Ab nächsten Jahr soll dann die Montags­ausgabe nur noch online erscheinen, um Druckkosten zu sparen.

Link: https://www.nd-aktuell.de


OXI

Eine Weile mit dem nd liiert war die linke Wirtschaftszeitschrift »OXI. Wirtschaft anders denken.« Nach der Loslösung von der Tageszeitung versuchte man sich als unabhängiges Printmagazin und scheiterte auf dem Markt. Seit einer Weile gibt es das Magazin nur noch als Blog, aber auch dieser muss sich durch Spenden finanzieren, um weiterexistieren zu können.

Link: https://oxiblog.de


Plastic Bomb

»Punk‘s not dead!« So lautet eine alte Punk-Weisheit. Dennoch sterben langsam die klassischen Punkfanzines aus. Eines der wenigen Überbleibsel der Szenezeitschriften ist die quartalsweise erscheinende »Plastic Bomb«. Zusammen mit »Ox« und »Zap« gehört sie zum Triumvirat der Punkfanzines. Steigende Druck- und Vertriebskosten bereiten der Bombe aber große Schwierigkeiten und drohen dem Projekt den Garaus zu machen.

Link: https://www.plastic-bomb.eu


Rabe Ralf

Der »Rabe Ralf«, ein kostenloses Blatt der Grünen Liga, informiert seit Jahren kritisch und kompetent über ökologische und gesellschaftliche Themen, bietet interessante vegane Rezepte, gibt Tipps für einen ökologischen Lebensstil und druckt wichtige Termine ab – nicht nur aus seiner Heimatstadt Berlin. Immer wieder gab es in der Vergangenheit auch Nachdrucke von Artikeln aus dem jeweils anderem Magazin. Damit der Rabe weiterfliegen kann, ist er nun auf 600 neue Abos bis Jahresende angewiesen. Weiterhin wäre auch das Schalten bezahlter Werbung eine hilfreiche Unterstützung des Projektes.

Link: bit.ly/49WnqOs


Wenn das Geld nicht für ein eigenes Abo reicht, wäre es dennoch ein solidarischer Akt, als Kollektiv eine (oder mehrere der Publikationen) zu abonnieren bzw. bei Stadtteilläden, Cafés oder Szenekneipen nachzufragen, ob dort nicht ein Abo bestellt werden könnte. Es geht ja nicht nur um die Publikationen als physische Objekte oder nur die – meist schlecht bezahlten – Stellen der verbliebenen Redakteur*innen, sondern um die darin vertretenen Inhalte und Informationen.

Titelbild: Ein alter Schriftzug in Brüssel erinnert an bessere Zeiten für die linke Presse. Foto: Yvonne Schwarz / Semiramis Photoart

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