Mit Blumen ist es nicht getan

Am 8. März bekam ich eine aufgebrachte Nachricht von meiner Schwester, die im Blumenladen ein paar Tulpen kaufen wollte: »Mir war nicht klar, dass es beim Weltfrauentag vielen offensichtlich darum geht, seiner Liebsten einen Strauß Blumen zu kaufen! Der Laden war voller Typen, die alle fette Sträuße raus schleppten. Ich war echt schockiert und hätte fast eine Diskussion angefangen, so von wegen: Als ob es mit ein paar Blümchen getan wäre!«

Illustration: Eva Sempere

Ich kann ihre Aufregung gut verstehen. Als ob der Valentinstag drei Wochen vorher nicht schon verrückt genug wäre, wird nun auch noch ein politisch so wichtiges Datum wie der Frauenkampftag in einen Anlass banalisiert, der Partnerin Blumen zu schenken. Mal ganz abgesehen davon, dass dieses Bild der heteronormativen Vorstellung einer Liebesbeziehung entspricht, obwohl doch inzwischen die Kämpfe konsequenterweise auf queerfeministische Anliegen ausgeweitet wurden. Das Ganze erinnert mich ein wenig an die Covid 19-Pandemie, als für die ach so wichtigen Pflegekräfte applaudiert wurde: Aufmerksamkeit – na gut, aber nur kurz! Veränderung – nein danke!

Mit Applaus und Blümchen ist es nicht getan. Zu groß sind noch die Missstände und zu wichtig die Forderungen, die am 8. März formuliert und auf die Straßen getragen werden. Nur ein paar Beispiele:

Die jüngst veröffentlichte Zeitverwendungsstudie für Österreich zeigt, dass Frauen pro Tag nicht nur insgesamt mehr arbeiten, sondern eineinhalb Stunden mehr unbezahlte Arbeit leisten als Männer. Und wenn bezahlt, dann verdienen Frauen im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer (Deutschland 2022).

In einigen Staaten wurden die Gesetze gegen Abtreibung wieder verschärft, zum Beispiel in Polen und den USA. Auch in Deutschland ist eine Abtreibung laut Paragraf 218 im Strafgesetzbuch immer noch strafbar, es sei denn, die schwangere Person lässt sich in einer staatlich anerkannten Einrichtung beraten und hält bestimmte Fristen ein.

Fast jeden dritten Tag stirbt eine Frau in Deutschland – getötet von ihrem Partner oder Ex-Partner. Ein Femizid ist in Deutschland bis heute kein eigener Straftatbestand. Gleichzeitig fehlen Plätze in Frauenhäusern, um Betroffene vor dieser Gewalt zu schützen. Auch die Angriffe auf CSD-Demonstrationen haben zugenommen: So wurde Malte C. 2022 am Rande der Münster Pride Parade angegriffen und erlag wenige Tage später seinen Verletzungen.

Im Iran werden Frauen inhaftiert, gefoltert und sogar getötet, weil sie gegen systematische Unterdrückung aufbegehren und in der Öffentlichkeit ihr Kopftuch ablegen. Das Mullah-Regime versucht mit aller Härte, die Bewegung mit dem Motto »Women, Life, Freedom« zu ersticken.

Die 8. März-Demo in Kassel solidarisierte sich mit diesen weltweiten Kämpfen von Feminist*innen. Auf einem Plakat hieß es – etwas zynisch: »Wenn ihr uns schon keine Blumen schenkt, bringt uns wenigstens nicht um.«

Eigentlich müsste es heißen: »Wir wollen keine Blumen, wir wollen leben!«

Regine Beyß

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