Gutes auf die Ohren: »Zwei Schwarze und ein Jude…«

In unserer Serie
»Gutes auf die Ohren« stellen wir euch interessante Podcasts vor.

Was anfängt wie ein schlechter Witz, ist der Titel eines Podcasts von den drei Freund*innen Vincent Kadiri, Azeret Koua und Nathan Bechhofer. Sie alle gehören religiösen und ethnischen Gruppen an, die in Deutschland Minderheiten sind, und sprechen im Podcast darüber, was das in einer weißen Mehrheitsgesellschaft bedeutet.

Vincent und Azeret sind Schwarze, Nathan ist Jude. Egal, ob angestoßen durch ihr Aussehen, ihre Namen oder die Art zu sprechen – alle drei erleben in Deutschland Diskriminierung. Ihre Erfahrungen stehen beispielhaft für den Alltag vieler Menschen. Für Azeret ist es normal, in der U-Bahn angestarrt zu werden, mal mit neugierigen, mal mit offen feindseligen Blicken. Nathan ist Atheist, aber viele denken, als Jude müsse er strenggläubig sein. Vincent wurde schon als Kind von Fremden angespuckt und rassistisch beleidigt.

WORUM GEHTS?

Die drei sprechen im Podcast über Fragen der Zugehörigkeit zu und der Identifikation mit einer deutschen Kultur. Was sie über ihre Herkunft und ihre Biographien, ihr Aufwachsen und ihre Sozialisierung erzählen, hilft zu verstehen, wie ihre jeweiligen Diskriminierungserfahrungen zustande kommen.

Anfangen kann das schon bei der Frage »Wo kommst du her?«. Während sie oft von aufrichtigem Interesse zeugt und interessante Gespräche anstoßen kann, hat sie auch eine hässliche Seite. Denn die Frage nach der Herkunft eines Menschen kann ganz schnell im Subtext ein misstrauisches »von hier ja offensichtlich nicht« enthalten. Diese Zuschreibungen von nicht-Zugehörigkeit formt den Alltag diskriminierter Menschen. Aus einem »von hier kommst du nicht« wird schnell ein »hier gehörst du nicht her« und Menschen, denen tagtäglich nicht-Zugehörigkeit unterstellt wird, und sei es nur durch einen Blick, entwickeln ein feines Gespür für die Absichten anderer. Die drei Moderator*innen reagieren unterschiedlich auf die Frage. Aber alle drei wissen, wann das Gegenüber aus Neugier fragt und wann aus Misstrauen und Feindseligkeit.

Aus den Gesprächen von Vincent, Nathan und Azeret wird deutlich, dass Minderheiten gerne mal zwischen allen Stühlen sitzen. Das Motto heißt: Diskriminierung von allen Seiten. Azeret hat eine verhältnismäßig helle Hautfarbe und wird mal als »zu hellhäutig« und mal als »zu schwarz« diskriminiert. Egal in welcher homogenen Gruppe sie sich bewegen, es wird ein Grund gefunden, sie auszugrenzen. Entkommen können sie dem nur in heterogenen, inklusiven Gruppen. Dort finden sie sichere Räume – so genannte »Safe-Spaces«. Vincent erzählt zum Beispiel begeistert von seiner Arbeit am Max-Planck-Institut in Stuttgart: Die Gruppe seiner Kolleg*innen ist so multikulturell, dass sie jedes Jahr das Weihnachten einer anderen Kultur feiern. In diesen Kreisen ist der Umgang mit Herkunft und Identität ein anderer, das Gespräch über Exotisierung, Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus freier.

FÜR WEN IST DER PODCAST?

Der Podcast richtet sich an Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen, die anderen Minderheiten angehören und einen sicheren Raum suchen, in dem über Ausgrenzung und Diskriminierung offen gesprochen wird. Wie wichtig diese Räume sind, wird in einer Folge klar, in der die Moderator*innen das Gespräch unterbrechen: Sie stellen fest, dass die Unterhaltung eine andere wäre, wenn mehr weiße Mehrheits-Deutsche im Raum wären. Der Podcast richtet sich außerdem an alle, die empathisch sein wollen und denen es ein Anliegen ist, die Situation diskriminierter Minderheiten verstehen zu können. Er schafft Berührungspunkte: Für Betroffene, die einen Safe-Space und Austausch suchen. Für nicht-Betroffene, die eigene Privilegien reflektieren wollen.

WIE HÖRT SICH DAS GANZE AN?

Der Podcast erscheint einmal im Monat, die Folgen sind zwischen 40 und 90 Minuten lang, je nachdem wie hitzig die Gespräche zwischen den drei werden. Seit Beginn der Pandemie pausiert der Podcast, das Archiv umfasst 13 Episoden.

Link: https://tbjpodcast.podigee.io/

Helene Jüttner

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