Lobau oder Autobahn

Seit Anfang des Jahres ist in Österreich das Thema Lobau-Autobahn wieder hochaktuell. Ein »Hainburg 2.0« steht im Raum, der Begriff verweist auf die erfolgreiche Besetzung der Hainburger Au Mitte der Achtzigerjahre, die Geburtsstunde der österreichischen Umweltbewegung.

#lobaubleibt

Damals demonstrierten tausende Menschen trotz winterlicher Kälte für den Erhalt einzigartiger Natur, die durch den Bau des Donaukraftwerks Hainburg zerstört worden wäre. Auch die Auseinandersetzung rund um die Lobau-Autobahn ist nicht neu: Seit ungefähr 20 Jahren kämpfen Umweltschützer*innen gegen den Bau der 19 Kilometer langen Nordost-Umfahrung von Wien, die als Teil des transeuropäischen Straßennetzes den Schwer- und Fernverkehr von Gdansk an der Ostsee bis nach Wien bringen soll. Ein acht Kilometer langer Tunnel soll durch den breitesten Abschnitt des Nationalparks Donau-Auen, die »Lobau«, führen. Bei dem Protest gegen die Lobau-Autobahn geht es aber längst nicht mehr nur um 19 km Asphalt, es geht um den Kampf für Klimagerechtigkeit auf unserem Planeten, die Notwendigkeit einer solidarischen Weltgemeinschaft und die Tatsache, dass veraltete Infrastrukturkonzepte einem klimagerechten Wertewandel gegenüberstehen.

Naturschutzgebiet Lobau – aktueller Stand

Die Lobau ist eines der schönsten Naherholungsgebiete Wiens. Sie gehört zu den letzten intakten Augebieten Europas. Der Nationalpark Donau-Auen, zu dem die Lobau gehört, beheimatet mehr als 30 Säugetier- und 100 Brutvogelarten, acht Reptilien- und 13 Amphibienarten, rund 60 Fischarten und 800 Pflanzenarten. Die Lobau ist ein Naturjuwel mitten in einer Millionenstadt und trägt dazu bei, dass diese eine der lebenswertesten Großstädte der Welt ist.

Da die Lobau-Autobahn zur Zeit vom Umweltministerium unter Leonore Gewessler durch eine Klimaschutz-Verträglichkeitsprüfung evaluiert wird, liegt das Vorhaben vorerst auf Eis. Ein Ergebnis wird diesen Herbst erwartet. Trotz der laufenden Evaluierung hat die Stadt Wien bereits an mehreren Stellen mit dem Bau der zum Gesamtprojekt gehörenden Stadtstraße begonnen, die ohne die Lobau-Autobahn keinen Sinn ergibt. Aktivist*innen von Extinction Rebellion und anderen Klimabewegungen werfen Wiens Bürgermeister Michael Ludwig vor, er wolle damit Tatsachen schaffen und so den Druck auf das Umweltministerium erhöhen.

Die Autobahn und Schnellstraßen Finanzierungs Aktien Gesellschaft ASFiNAG und die Stadt Wien behaupten, trotz gegenteiliger Expert*innenmeinungen, dass die Wiener Lobau-Autobahn zu einer Verkehrs­entlastung der parallel liegenden Autobahn »Südosttangente«, des Marchfeldes, sowie des Bezirks Donaustadt führe. Außerdem sei sie eine wichtige Anbindung an die schnell wachsenden Bezirke jenseits der Donau, sowie des nordöstlichen Umfelds von Wien.

Alle für die Lobau: Aktivist*innen organisieren seit Anfang des Jahres vermehrt Demonstrationen und unangemeldete Aktionen, um einen Autobahnbau durch das Augebiet zu verhindern. Fotos: #lobaubleibt

Gemeinsamer Protest

Seit Anfang des Jahres finden vermehrt Demonstrationen und unangemeldete Versammlungen in Wien gegen dieses »rückwärtsgerichtete Monsterprojekt«, wie es der Naturschutzbund Österreich nennt, statt. Unter dem Motto »Alle für die Lobau« bildet sich erstmals in Österreich eine Allianz mehrerer Umweltbewegungen, darunter Fridays For Future, Extinction Rebellion, System Change Not Climate Change, Greenpeace, der Jugendrat, sowie Bürger*innen­initiativen wie »Rettet die Lobau« und »Hirschstetten Retten« und vielen weiteren Kleingruppen. Ihre Forderung ist klar: Die Lobau-Autobahn ist mit Österreichs Klimazielen unvereinbar und darf nicht gebaut werden!

Durch die Lobau-Autobahn würden sich die CO2-Emissionen im Raum um Wien um 105.000 Tonnen CO2-Äquivalente jährlich steigern, die Wiener Trinkwasserreserven in der Lobau könnten gefährdet werden, und es würde noch mehr Transit- und Schwerverkehr durch Österreich ziehen. Außerdem würden alte Ortsteile und Nachbarschaften zerschnitten werden und hochwertige landwirtschaftliche Flächen würden durch die Bodenversiegelung für immer verloren gehen. Auf dem Spiel steht der Erhalt des ökologischen Gleichgewichts im Naturschutzgebiet Donau-Auen, denn der Tunnel wirkt wie ein unterirdischer Staudamm. Dieser würde auf der einen Seite zum Aufstauen des Grundwassers führen, auf der anderen zum Austrocknen.

Neben den Folgen für Natur und Umwelt sehen Klimaschützer*innen in der Lobau-Autobahn ein Milliardengrab. Laut der ASFiNAG, die den Bau koordiniert, belaufen sich die Projektkosten auf 1,9 Milliarden Euro. Andere Schätzungen gehen von mindestens vier Milliarden aus. Dieses Geld könnte man wesentlich effizienter nutzen, indem man klima­freundliche Mobilität fördert, insbesondere in den Wiener Randgebieten, um wirkliche Mobilitätslösungen für Pendler*innen zu ermöglichen.

Wird gebaut, wird besetzt

Mit dem Bau der Lobau-Autobahn stellt sich Bürgermeister Michael Ludwig klar gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung und das Forum Wissenschaft und Umwelt in Österreich. Sie hoffen, dass er seine Meinung noch ändert und das Projekt endgültig ad acta legt. Sollte er dies nicht tun, riskiert er ein zweites Hainburg und damit Bilder von vielen jungen Menschen, die durch die Polizei von Baggern entfernt werden, weil sie nach zahlreichen Protesten die ins Leere laufen, in Besetzungen ihre einzige Chance sehen, für eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten zu kämpfen.

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