Erinnern an Menschen im Widerstand

Straßennamen und Denkmäler sind in die Topologie der Stadt eingebrannte Geschichte. In immer mehr Städten setzen sich postkoloniale Arbeitskreise für die Aufarbeitung kolonialer Vergangenheit und die Umdeutung von Namen und Erinnerungsorten ein.

Friederike Grabitz, Lübeck

Seit Ende August ist es amtlich: Die Mohrenstraße in Berlin wird Geschichte sein. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Berlin-Mitte hat die Umbenennung der Straße in Berlins Zentrum beschlossen. Sie soll künftig den Namen von Anton Wilhelm Arno (geb. 1707) tragen, dem ersten Philosophen afrikanischer Herkunft an einer preußischen Universität. Der Umbenennung war ein langer Streit vorausgegangen, in dem sich hauptsächlich der Verein »Decolonizing the City« sowie die »Initiative Schwarze Menschen in Deutschland« (ISD Bund e.V) für die »Dekolonisierung« des Straßennamens einsetzten. Sie hatten dem Bürgermeister von Berlin-Mitte eine Petition mit fast 14.000 Unterschriften überreicht.

Ehre für die »Mohren«?

Die Straße, argumentieren sie, erinnere nicht zufällig an Kolonialgeschichte. Sie führt zur Reichskanzlei, wo bei der »Berliner Konferenz« 1884 die europäischen Kolonialmächte den afrikanischen Kontinent unter sich aufteilten. Deutschland bekam Deutsch-Ostafrika, das heutige Namibia, zugeteilt. Aus der Mohrenstraße kommt auch der Sarotti-Mohr, den die gleichnamige Schokoladenmarke als Hommage an den Straßennamen bis 2003 in ihrem Logo trug. In der Uniform eines Dieners serviert er eine Schachtel mit der »Kolonialware« – eine Bildsprache, die stereotype Selbstverständlichkeiten über dunkelhäutige Menschen transportiert.

»Nirgendwo bürgert sich ein Straßenname ein und hält sich 300 Jahre lang, um die darin Bezeichneten zu schmähen«, argumentierte die »Berliner Zeitung« in einem Kommentar gegen die Umbenennung. Doch war das wirklich so gemeint? Das Pejorative sei im Wort des Mohren an sich enthalten, sagt der Politikwissenschaftler Joshua Kwesi Aikins: »Im deutschen Sprachgebrauch bedeutet ›Mohr‹ dumm oder primitiv.« In einem anderen Punkt gibt er der BZ-Autorin Maritta Tkalec dann aber recht: »Entkolonialisierung geschieht nicht durch die Änderung einiger Straßennamen.«

Menschen im Zoo

Auch in Leipzig setzt sich eine Gruppe, die »Arbeitsgemeinschaft Leipzig Postkolonial«, dafür ein, koloniale Spuren in der Stadt ins öffentliche Bewusstsein zu holen. Sie bietet zum Beispiel postkoloniale Stadtrundgänge an, die unter anderem daran erinnern, dass im Jahr 1876 im Leipziger Zoo auf einer »Völkerwiese« Menschen aus anderen Erdteilen ausgestellt wurden. 1893 bis 1897 gab es hier im Rahmen der Sächsisch-Thüringischen Gewerbeausstellung sogar eine große Völkerschau.

Solche postkolonialen Arbeitskreise sind in den letzten Jahren in vielen Städten entstanden, die meisten im universitären Umfeld. In Hamburg erinnert eine Gruppe an die Völkerschauen im Tierpark Hagenbeck und daran, dass die Stadt auch durch koloniale Systeme reich geworden ist. Als hier die Sanierung des 36 Meter hohen Bismarck-Denkmals für neun Millionen Euro beschlossen wurde, trommelte die Initiative »Intervention Bismarck-Denkmal Hamburg« zu einer Demo dagegen. Der erste deutsche Reichskanzler war für sie ein »Antidemokrat, Kriegstreiber und Wegbereiter des Kolonialismus«, sagte Initiator Dirk Lau in einem NDR-Info-Podcast.

Denkmäler für die Helden des Widerstands

Wie soll mit solchen Denkmälern für umstrittene Persönlichkeiten umgegangen werden? Einige fordern eine Demontage, andere eine Veränderung der Kontexte oder lediglich zusätzliche Infotafeln. Kodjo Valentin Gläser von der »Initiative Schwarze Menschen in Deutschland« wünscht sich, dass Ortsnamen und Denkmäler nicht nur den SiegerInnen der Geschichte gewidmet werden: »Es gibt so viele Persönlichkeiten im Widerstand. Wir sind keine Opfer, wir sind auch HeldInnen.« Die Stadt Leipzig hat sich schon 1961 daran gehalten: Als der kongolesische Unabhängigkeitskämpfer Patrice Lumuba 1961 umgebracht wurde, errichtete sie ihm kurz darauf ein Denkmal – ein Beispiel für progressive Erinnerungskultur von Staats wegen.

Eine Liste mit Links zu den verschiedenen postkolonialen Initiativen hat die Gruppe »kassel postkolonial« auf ihrer Webseite zusammengestellt:

https://tinyurl.com/yy7kmwxm

Titelbild: Friederike Grabitz

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