Energiewende selber machen

Trotz massiv gestiegener Energiepreise hat die Bundesregierung einen Richtungswechsel hin zu erneuerbaren Energien vorerst nur angekündigt. Das Bündnis Bürgerenergie ist mit seinem »Energy-Sharing«-Konzept da schon weiter, mit dem sich Bürger*innen aktiv an der Energiewende beteiligen könnten. Wir stellen Balkonkraftwerke, Selbstbaugemeinschaften und Mieterstrom-Genossenschaften vor.

Peter Streiff, Redaktion Stuttgart

Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung hat sie hohe Priorität und Wirtschaftsminister Habeck betonte in seiner Eröffnungsbilanz ihre zentrale Rolle bei der Erreichung der Klimaziele: Die Rede ist von der Energiewende mit einer notwendigen Abkehr von fossilen Energieträgern und einem deutlichem Ausbau von Solar- und Windenergie.

Außer Absichtserklärungen und der Ankündigung eines »Osterpakets« mit Gesetzesänderungen, das nun doch erst im Juni ins Parlament kommen soll, ist jedoch substanziell noch nichts geschehen. Selbst die beschlossene EU-Richtlinie, gemäß der ein nationaler Aktionsplan für erneuerbare Energien vorgelegt werden muss, wird von Deutschland ignoriert. Es läuft ein Vertragsverletzungsverfahren.

Statt sich an den Mühlen des parlamentarischen Betriebs abzuarbeiten, haben jedoch über 30 Umwelt- und Verbraucherorganisationen im Bündnis Bürgerenergie frühzeitig einen eigenen Vorschlag ausgearbeitet: Schwerpunkt ihres Anfang März vorgelegten »Energy-Sharing«-Konzepts ist die Förderung dezentraler Lösungen mit aktiver Beteiligung der Menschen. Im Gegensatz zur Blockadehaltung der Merkel-Regierung und der Bevorzugung von Monopolisten liege der Schlüssel für einen beschleunigten Ausbau von erneuerbaren Energien in der aktiven Teilhabe vieler Bürger*innen und in einer verbrauchsnahen Produktion (Seite 12).

Dass diese Forderungen reichlich Substanz haben, zeigt eine aktuelle Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) von Mitte April. Demnach gebe es in Deutschland so viele geeignete Standorte, dass sich mehr als 90 Prozent der Menschen in »Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften« zusammenschließen könnten. Die Gemeinschaften sollten eine angemessene Vergütung erhalten, wenn sie ihren Verbrauch zeitlich und räumlich an die sich verändernde Erzeugung von Wind- und Solarstrom anpassen. Von einem solchen netzdienlichen Verhalten würde das gesamte Energiesystem profitieren, so die Studie.

Doch selbst fortschrittliche Konzepte haben nur ein Chance zur Umsetzung, wenn es Pionier*innen gibt, die einfach schon mal angefangen haben: Getreu dem Motto »das Neue im Alten wagen« stellen wir im Energiewende-Schwerpunkt einige dieser Initiativen vor.

In Kassel zeigt SoLocal Energy nicht nur anschaulich, wie eine fossil­freie Lieferung von Solarmodulen Spaß macht (Bild oben), sondern auch mit welchen Bausteinen eine nachbarschaftliche Klimawende vorankommen kann (Seite 9). Mit einem ähnlichen Ansatz sind in der Schweiz bereits mehrere Selbstbaugemeinschaften als Genossenschaften entstanden, die dank gegenseitiger Hilfe und bei guter Laune preiswerte Solaranlagen ermöglichen (Seite 10).

Einen Selbstbau eher im kleineren Stil, der sich auch für Mieter*innen eignet, lässt sich mit Balkonkraftwerken unkompliziert umsetzen (Seite 10). Durch sehr bürokratische Regelungen waren bisher jedoch Mieterstromgenossenschaften beeinträchtigt, die sich demnächst attraktivere Rahmenbedingungen erhoffen (Seite 11). Abgerundet wird der Schwerpunkt mit der Vorstellung des neu entstandenen Netzwerks für gemeinschaftsgetragenes Wirtschaften (Seite 9) und einigen thematischen Literaturhinweisen.

Titelbild: Die Photovoltaik-Module liefert SoLocal Energy aus Kassel fossilfrei auf dem Lastenfahrrad aus. Foto: SoLocal Energy


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