Gutes auf die Ohren: »Geranien und Pflastersteine«

In unserer Serie
»Gutes auf die Ohren« stellen wir euch interessante Podcasts vor.

ÜBERBLICK

Gute Küchentischgespräche sind in der Pandemie selten geworden. Gerade wenn man versucht, die eigene politische Ideologie auch zu leben, ist der Gesprächsbedarf groß. Der Fundus an Buch- und Filmempfehlungen, leicht verwurschtelten Zitaten bekannter Theoretiker*innen und angeregt hin- und hergespielten Gedanken schwindet dahin. Doch Rettung naht. Herrlich selbstgemacht, ohne großes Team im Rücken und »direkt aus dem pink-schwarz-roten Kosmos«: Das ist der Podcast »Geranien und Pflastersteine«. Er könnte auch »Leitkultur vs. linke Subkultur« heißen, aber das ist lange nicht so griffig.

WORUM GEHT’S?

Michel Klaus und Thomas Liebkose vom Berliner Kollektiv »Solidarisch Tanzen« unterhalten sich über pandemischen Feier-Hedonismus, den Weltfrauentag und die Entfremdung des digitalen Raums. Sie sprechen aus aktuellem Anlass über den »Tag der Deutschen SchEinheit« oder tauchen in die Strukturen kritischer Männlichkeitsforschung in der linken Szene ein. Die Atmosphäre ist entspannt, die Gespräche nicht gescripted und jede Folge holen sich die beiden Moderatoren einen feministischen Input – mal von Einzelpersonen, mal von Netzwerken wie »female pressure«.

Überhaupt geben sich Klaus und Liebkose Mühe, ihre eigene Stellung und die damit einhergehenden Privilegien zu reflektieren und herauszuarbeiten, wo ihre eigene Sicht auf die Dinge verzerrt ist. Manchmal gelingt ihnen das gut, manchmal verzetteln sie sich.

Nicht zu Ende gedachte Argumentationsstränge und halbgare Erklärungsversuche ziehen die Folgen manchmal etwas in die Länge, doch dieser entspannte Umgang macht den Charme des Podcasts aus. Nach jeder Folge schwirren der Hörer*in diverse Buchempfehlungen, Veranstaltungshinweise, Verweise auf aktivistische Netzwerke und gelegentlich auch mal ein schlechter Marx-Witz durch den Kopf.

FÜR WEN IST DER PODCAST?

Die Themen sind nicht ganz voraussetzungslos, ein grundlegendes Verständnis für linke und feministische Theorien und Begriffe macht es definitiv leichter, den Gesprächen zu folgen. Doch die Moderatoren geben sich immer Mühe, nicht zu viele Konzepte in eine Folge zu laden und lassen sich genug Zeit, um auch komplexe Zusammenhänge im Verlauf des Gesprächs klar herauszuarbeiten.

WIE HÖRT SICH DAS GANZE AN?

Die einzelnen Folgen werden als kleine Radiosendungen aufgenommen und können sowohl live als auch im Archiv gehört werden. Der Podcast erscheint unregelmäßig im Schnitt alle zwei Monate, interessierte Hörer*innen können sich im Archiv knapp 20 bereits erschienene Folgen zu Gemüte führen, die jeweils zwischen 60 und 90 Minuten lang sind.

Neben dem Gespräch der Moderatoren mit ihren Gästen sind immer wieder Interviews, Dokumentationen oder O-Töne relevanter Akteur*innen eingespielt. Ein bisschen so, wie man im Gespräch unter Freund*innen das Handy zückt, um kurz diesen einen Ausschnitt aus der Rede einer Politikerin zu zeigen, auf den man sich gerade bezieht. Zusammengehalten werden die einzelnen Teile mit einem erfrischenden Mix aus 2000er-Trash, Techno und Minimal, Indie- und Punkrock-Klassikern – echtes Radioflair eben.

Helene Jüttner

Link zum Podcast »Geranien und Pflastersteine«: https://bit.ly/3uNH104

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