Elektroauto dank Crowdfunding

Im Januar war das Ziel von 50 Millionen Euro aus einem Crowdfunding erreicht. Und dies nach einem Zeitraum von lediglich 50 Tagen, sagten die GründerInnen von Sono Motors. Mit dem Modell »Sion« haben sie die ersten Prototypen eines neuartigen Elektroautos entwickelt, das mit eingebauten Solarzellen nicht nur die eigene Batterie aufladen kann. Ihr Konzept ist von Anfang an auch auf Carsharing, Fahrtenvermittlung und Stromeinspeisung ausgelegt.

Peter Streiff, Redaktion Stuttgart

Mit 25 Jahren als Chef eines Automobilhersteller wahrgenommen zu werden, ist in der Branche schon ungewöhnlich genug. Seine Aussage bei der Prototyp-Vorstellung macht ihn erst recht zum Exoten: »Wir glauben an eine Welt mit weniger Autos auf den Straßen«, sagt Laurin Hahn. Er ist einer der Gründer des Münchner Start-Up-Unternehmens Sono Motors und ergänzt dann, dass sie etwas gegen den Verkehrsinfarkt in den Innenstädten tun wollen, und dass der endliche Rohstoff Erdöl viel zu wichtig sei, um ihn in raffinierter Form einfach in Motoren zu verbrennen.

Vor diesem Hintergrund wollen Sono Motors mit seinem ersten Modell »Sion« nicht einfach nur ein weiteres Elektroauto bauen, sondern eines, das in seinem Gesamtkonzept auch die Elemente Carsharing, Fahrtenvermittlung und Stromeinspeisung beinhalte. Hahn und seine MitgründerInnen verstehen sich daher eher als neue Mobilitätsdienstleister statt als reine Autohersteller.

Vorab-Finanzierung

Nicht nur das Konzept, sondern auch dessen Finanzierung ist ungewöhnlich: In einem Brief an interessierte zukünftige KundInnen luden sie zum Crowdfunding ein – mit dem ehrgeizigen Ziel von 50 Millionen Euro in 50 Tagen: »Im Laufe zahlreicher Verhandlungen mit internationalen Investoren haben wir immer wieder feststellen müssen, dass sich die Erwartungen der klassischen Finanzwelt nur schwer mit unseren Zielen und Werten vereinbaren lassen«, schrieben Hahn und seine beiden MitgründerInnen. Stattdessen hätten sie »die Entscheidung über die Weiterführung des Projekts Sion in die Hände der Sono Motors Community gelegt, um die Werte und Technologien des Unternehmens zu schützen«.

Als Leitsatz hatten die GründerInnen formuliert, dass sie »den Klimawandel bekämpfen und eine Veränderung erreichen« wollen – »für eine lebenswerte Zukunft und die Generationen nach uns«. Mit dem Ergebnis von mehr als 53 Millionen Euro hatten sie Ende Januar ihr Ziel nach Ablauf ihrer Frist sogar leicht übertroffen. Drei Viertel der Summe kam durch 13.000 Reservierungen für einen ›Sion‹ zusammen, der Rest durch Darlehen und Spenden. Nun soll die Serienfertigung in einem ehemaligen Saab-Werk in Schweden starten – mit dem Ziel einer »nachhaltigen und bezahlbaren Mobilität für alle«.

Karosserie mit Solarzellen

Sono Motors wirbt damit, dass der »Sion« das erste Solar-Elektroauto sei, das sich selbst lädt. In die schlichte Karosserie des Vans seien 248 Solarzellen nahtlos eingearbeitet, die nicht in Glas, sondern im Kunststoff Polymer eingebettet sind. Dadurch seien die Karosseriebauteile etwa 20 Prozent leichter als vergleichbare Metallteile. Außerdem könnten die Solarzellen mit ihrer Polymerbeschichtung nicht splittern. Die Karosserie ist aus Kostengründen nur in schwarzem Kunststoff erhältlich, dadurch entfällt auch die Lackierung. »Über Farbe und andere Ausstattungsdetails haben wir unsere Kunden abstimmen lassen«, sagt Thomas Hausch, einer der Sono-Vorstände, der früher als Manager bei Daimler und Nissan gearbeitet hat. Schwarz habe auch den Vorteil, dass die in die Karosserie eingearbeiteten Solarzellen optisch nicht hervorstechen.

Die Reichweite ist mit 255 Kilometern (nach WLTP-Standard) im Vergleich zu anderen Elektroautos nicht sonderlich hoch, sie könne sich jedoch durch die Sonnenenergie um bis zu 34 zusätzliche Kilometer pro Tag erhöhen. Die Aufladung der Batterie durch die Sonne bedeute zudem volle Autarkie ohne Steckdose für kurze Strecken.

Dank der Technologie des »bidirektionalen« Ladens könne das Auto als mobiler Stromspeicher genutzt werden. Über einen Haushaltsstecker lassen sich so alle gängigen elektronischen Geräte mit bis zu 3,7 Kilowatt betreiben – und beispielsweise auch die Batterie eines anderen Elektroautos laden.

Ungewöhnlich im Hochglanz-Umfeld der Autohersteller wirkt zudem ein Versprechen der Solar-Elektroautobauer, dass sie bei Reparaturen teilweise auf Selbstbauer*innen setzen: Ein dreistufiges Instandhaltungssystem bedeute, dass einfache Ersatzteile ohne große Vorkenntnisse selbst eingebaut werden können.

Auto teilen

Weil bisher ein Privatauto in Deutschland durchschnittlich 23 Stunden steht und damit Parkraum unnötigerweise belegt, will Sono Motors auf eine Ökonomie des Teilens setzen. So erhalte jedes Auto serienmäßig die eigene App, mit der das Verleihen und Anbieten von Mitfahrgelegenheiten mit wenigen Klicks am Borddisplay organisiert werden kann. Wer den Kosten reduzierenden Mitfahrservice nutzen möchte, schickt dem/der FahrerIn eine Anfrage. Falls diese angenommen wird, erhalte der/die InteressentIn eine Benachrichtigung und werde abgeholt.

Auch die Stromeinspeisung und der -verkauf laufe über die App, wie es in der Ankündigung heißt: »So kannst du entscheiden, wie viel Strom du bereit bist weiterzugeben und zu welchem Preis. Andere Nutzer sehen dann den Standort deines Sion als mobile Ladestation.«

Eine Umfrage unter interessierten KäuferInnen habe ergeben, dass vier Fünftel von ihnen planen, die Funktionen zum Carsharing per App auch nutzen zu wollen, sagt Hausch. Mit einem voraussichtlichen Verkaufspreis von 25.500 Euro sei der Sion deutlich billiger als vollelektrische Konkurrenzmodelle. Der Start der Serienproduktion musste um ein Jahr verschoben werden, nun ist sie für September 2021 geplant. Die Auslieferungen an die ersten KundInnen ist für Januar 2022 angekündigt.

Vor dem Hintergrund der Kritik am »grünen Kapitalismus« des geplanten Tesla-Werks in Brandenburg scheint das Sion-Konzept einen deutlich ökologischeren und zukunftsfähigeren Ansatz zu verfolgen: Solarstrom von der Karosserie, Reduktion von Verkehr durch die Mitfahr-App und Fokus auf preisgünstige, alltagstaugliche Herstellung.


Link: www.sonomotors.com

Titelbild: Solarzellen in der Karosserie laden die Batterie des neuen »Sion«, der Strom kann auch an andere Elektroautos weitergegeben werden. Im Bild zwei Prototypen. Foto: Sono Motors

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