Eine neue Akteurin: Die Stadtbodenstiftung

Die Bodenfrage spielt in den gegenwärtigen Debatten um eine sozial gerechtere Stadt wieder vermehrt eine Rolle. Mit dem Community Land Trust wird in dieser Ausgabe ein lokales, nicht gewinnorientiertes Eigentumsmodell vorgestellt, das genau da ansetzt: Grund und Boden werden der Spekulation entzogen, demokratisch verwaltet und für günstigen Wohnraum und nachbarschaftliche Zwecke dauerhaft gesichert.

Redaktionsteam Stadtbodenstiftung, Berlin

Seit der Finanzkrise 2008 und der Niedrigzinspolitik haben Investoren Immobilien als profitable Renditemöglichkeit wiederentdeckt. Infolge dessen sind die Bodenpreise und die zu erzielenden Marktpreise der darauf befindlichen Gebäude – und damit auch die resultierenden Mietpreise – kontinuierlich gestiegen. Gemäß dem Ökonomen Ottmar Edenhofer sind rund 80 Prozent des Wohnkostenanstiegs auf die Bodenpreisentwicklung zurückzuführen. Die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums wird immer schwieriger – insbesondere in den Innenstädten. Die Rolle des Bodens in stadtpolitischen Prozessen erhält deshalb vermehrte Aufmerksamkeit. Längst sind es nicht mehr nur linke Forscher *innen und Aktivist*innen, die die verteilungspolitische Funktion der steigenden Bodenpreise analysieren und darlegen, wie sich dadurch profitgetriebene statt sozial-orientierte Nutzungen durchsetzen. Auch in der öffentlichen und politischen Diskussion wird die Bodenfrage wieder als Schlüsselfaktor sozialer Stadt- und Regionalentwicklung thematisiert. Doch gerade aus den Netzwerken der Zivilgesellschaft sind gegenwärtig neue Impulse wahrnehmbar, Grund und Boden als Gemeingut zu führen.

Im Schwerpunkt dieser Ausgabe soll mit dem Community Land Trust (CLT) ein solches marktfernes Eigentumsmodell vorgestellt werden. CLTs sind eine nicht gewinnorientierte Eigentumsform, mit der Grund und Boden der Spekulation entzogen wird, um diesen für bezahlbaren Wohnraum aber auch für andere gewerbliche, soziale oder kulturelle Nutzungen zur Verfügung zu stellen. Sie sind eine Form der nachbarschaftlichen Selbstverwaltung, in der gemeinschaftlich über die Nutzung des Bodens und die darauf befindlichen Gebäude entschieden wird, so dass diese dem lokalen Bedarf entsprechen. Die Kurzformel »community-led development on community-owned land« (dt. »gemeinschaftlich geführte Entwicklung auf Land in Gemeinbesitz«) fasst die Kernidee des CLT treffend zusammen.

CLTs entstanden Ende der 1960er Jahre im Kontext der Bürgerrechtsbewegung im ländlichen Süden der USA, um angesichts der diskriminierenden Bodenpolitik schwarzen Farmer*innen dauerhaft gesicherten Zugang zu Ackerland und Wohnraum zu ermöglichen. In den 1980er Jahren, als Aufwertungsprozesse in US-amerikanischen Städten zur Verdrängung von (vor allem einkommensschwachen) Bewohner*innen führten, wurden die ersten städtischen CLTs gegründet. So wurde das anfänglich ländlich-landwirtschaftliche Modell auf Wohnraum und Gemeinschaftseinrichtungen übertragen und den neuen Anforderungen gemäß ausdifferenziert. Gerade in den Städten sind CLTs zu einem erprobten Mittel gegen Gentrifizierung und Verdrängung geworden.

Mittlerweile gibt es hunderte von CLTs vor allem in den USA und Großbritannien, aber auch auf dem europäischen Festland. In den letzten Jahren werden CLTs zudem vermehrt als mögliches Eigentumsmodell für die informellen Siedlungen Lateinamerikas diskutiert. Als nachbarschaftsbezogenes Modell der langfristigen Sicherung kostengünstigen Wohnraums insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen findet das CLT-Modell jetzt auch in Berlin mit der aktuell gegründeten Stadtbodenstiftung eine ideelle Fortführung.

Link: www.stadtbodenstiftung.de

Titelbild: Wandbild am »Turning Point Center« in Burlington, Vermont (USA). Das soziale Beratungszentrum ist ein Projekt des Champlain Housing Trust, dem weltweit prominenten Beispiel und Vorbild der Community-Land-Trust-Bewegung. Foto: Champlain Housing Trust


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