Antifaschismus von unten

In Thüringen, Sachsen und Brandenburg ist mit der AfD eine faschistische Partei in Umfragen stärkste politische Kraft – und das kurz vor den Landtagswahlen. Was die AfD auf Kommunal- und Landesebene anrichten kann, indem sie Demokratie-Initiativen, Einzelpersonen, Vereine und Organisationen zu politischen Feinden erklärt, ist auf längere Zeit nicht mehr umkehrbar. Dagegen hilft nur solidarische Vernetzung.

Netzwerk Polylux

Befeuert von Krieg und Krisen verbreitet die AfD menschenfeindliche Hetze und Angst gleichermaßen, und kann an anderer Stelle auf die fehlenden Brandmauern anderer Parteien setzen, die in den vergangenen Jahren ihren Beitrag zur Normalisierung der extrem rechten Melange geleistet haben. Auch der Großteil der Medien hat die Flügelkämpfe, bei denen sich die Hardliner-Fraktion längst durchgesetzt hat, unkritisch begleitet: Der Aufstieg von Björn Höcke als heißes Nachrichtenformat und nicht als Ausdruck des faschistischen Durchmarschs, der nicht nur Minderheiten, sondern das gesamte gesellschaftliche Gefüge massiv bedroht – zuletzt zu sehen im Thüringer TV-Duell zwischen Mario Voigt, dem CDU-Landesvorsitzenden, und dem AfD-Faschisten Höcke.

Auch die Corona-Pandemie hat gerade im ländlichen Raum Ostdeutschlands eine enorme Mobilisierung rechter Akteure vorangetrieben, während linke Gruppen ihre Arbeit größtenteils pausiert oder auf den virtuellen Raum verlegt hatten. Das hat auch uns als im Aufbau befindliches Netzwerk betroffen. Viele Kontakte und Veranstaltungsformate mussten erst langsam wieder aufgebaut werden, derweil die Rechten im Wahlkampf auf kommunaler Ebene nun unmittelbar an die Mobilisierung der Proteste gegen die Pandemie-Maßnahmen anknüpfen können. Zugleich wird in der Linken ein verstärktes Bewusstsein und Bedürfnis nach tragfesten Bündnissen sichtbar und auch der Blick in den ländlichen Raum verändert sich. Das Interesse an Ostdeutschland und seinen spezifischen Verwerfungen ebenso wie an seiner Funktion als Reallabor der Neuen Rechten wächst.

An diesem Punkt möchten wir als Netzwerk Polylux ansetzen. Denn eins ist klar: Auch im ländlichen Osten haben sich schon immer Menschen der rechten Hegemonie entgegengestemmt – ob in der Flüchtlingsarbeit, in Kirchengemeinden oder der offenen Jugendarbeit. Auch im Sport- und Bildungsbereich gab und gibt es nie nur braune Soße. Feministisches Kino gibt es genauso wie Queer Prides. Etliche der zur Zeit etwa 30 Orte und Initiativen, die sich als Polylux Netzwerk verstehen, haben eine Geschichte, manche länger, manche kürzer – weil schon immer nicht alle »im Osten« Nazis werden, nicht alle »den Osten« verlassen, wieder andere sogar dorthin zurückkehren. Viele, vor allem Menschen mit Fluchtgeschichte, können sich nicht aussuchen, ob sie von der Asylbürokratie nach Finsterwalde oder Eisenhüttenstadt, Halberstadt oder Dallgow-Döberitz geschickt werden. Kinder und Jugendliche können genauso wenig wählen, in welche politische Landschaft sie hineingeboren werden. Es gibt also viele, die einen solidarischen und lebenswerten Osten wollen und brauchen. Aber hält man sich allein einen zahlenmäßigen Vergleich vor Augen, dann wird deutlich, wie unterschiedlich die Bedingungen sind: Während es 1990 in Nordrhein-Westfalen 2.400 migrantische Vereine gab, gab es in Brandenburg keinen einzigen. 34 Jahre später sind es immerhin 55.

Position beziehen hat Konsequenzen

Bei den zahlreichen Demonstrationen in den ersten Wochen des Jahres 2024 schien ein neues Bewusstsein über die realen politischen Ziele der AfD entstanden zu sein. Allerdings war und ist noch nicht ganz ausgemacht, ob sich tatsächlich alle, die ein »Für Demokratie«-Schild hochhalten, damit auch wirklich hinter beziehungsweise vor diejenigen stellen würden, die die AfD ganz konkret im Blick hat, wenn sie ankündigt, »aufräumen« zu wollen. Position beziehen heißt, online, im Alltag und natürlich auch bei den Wahlen der Meinungshoheit der AfD im ländlichen Raum entgegenzutreten. Wer im Sportverein oder beim Dorffest am Grillstand rechten Positionen widerspricht und wirklich »Gesicht zeigt«, macht sich angreifbar und muss sich auf Verbündete verlassen können.

Solche Vernetzung will Polylux fördern. Wenn Menschen sich organisieren wollen, um kritische Veranstaltungen zu planen, einen Nachbarschaftstreff zu gründen oder Betroffene von Rassismus, Antisemitismus oder Queerfeindlichkeit zu unterstützen und es dafür an politischer, öffentlicher und finanzieller Unterstützung fehlt, dann gibt Polylux niedrigschwellig finanziellen Support – ohne aufwendige Förderanträge und die daran hängenden Nachweisprozeduren. Zugleich versuchen wir, Sichtbarkeit für die Gruppen herzustellen oder Vernetzungen anzustoßen – und Menschen in den Metropolen zu motivieren, diese progressiven Prozesse in ostdeutschen Kleinstädten und Dörfern zu unterstützen.

Das Netzwerk operiert unabhängig von staatlichen Förderstrukturen. Spenden oder Geld aus Fördermitgliedschaften wird unkompliziert nach feststehenden Kriterien umverteilt. Um langfristig zu wissen, dass Projekte und Orte abgesichert werden können, helfen Fördermitgliedschaften am meisten. Zur Zeit gibt es bereits 400 Fördermitglieder, die dafür sorgen, dass jeden Monat zahlreiche Orte und Projekte weiter existieren und Aktionen, Konzerte, Beratungen stattfinden können – gegen Rechts und für ein lebenswertes Leben aller Menschen in Ostdeutschland. Bis zu den Landtagswahlen im Osten am 22. September 2024 soll die 1.000er-Marke an Fördermitgliedern geknackt werden.

Schon jetzt erhält das Netzwerk mehr als doppelt so viele Anfragen nach finanzieller Hilfe wie noch vor einem Jahr. Das werden die Wahlergebnisse im Sommer und Herbst sicher nicht besser machen. Der Newsletter, den alle Fördermitglieder erhalten, informiert, was im Osten alles geht: antifaschistisch, feministisch, gegen Rassismus und Antisemitismus.

Link: www.polylux.network

Das Netzwerk Polylux ist auf Tour mit einem Vortrag über Antifaschistische Netzwerkarbeit in Ostdeutschland:
28. Mai, Hamburg: 18 Uhr, Kulturladen St. Georg, Alexanderstraße 16
28. Juni, Konstanz: 18 Uhr, Infokneipe Konstanz im Contrast, Joseph-Belli-Weg 11
29. Juni, Ulm: 17 Uhr, Anarres, Mähringer Weg 75

Weitere Termine veröffentlicht polylux_network auf Instagram.

Titelbild: Netzwerk Polylux

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