Der Fall Assange

Verbrechen amerikanischer Regierungen, Geheimdienste, Militärs sollen vernebelt werden. Seit über einem Jahrzehnt wird ein abschreckendes Exempel statuiert an dem Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange und es wird ein Präzedenzfall geschaffen, um investigativen Journalismus zu kriminalisieren.

Thespina Lazaridu, Free Assange Köln

»Bitte für wen?« und »Von welcher Organisation seid ihr?« – Das sind zwei häufige Fragen, mit denen wir Aktivist*innen für Pressefreiheit und die Freiheit für den Journalisten Julian Assange konfrontiert werden.

Julian Assange ist Journalist und Publizist – und der Gründer von Wiki­leaks. Vor über zehn Jahren verschwand er von der Weltbühne. Der vormals gefeierte, mit Preisen überhäufte australische Journalist und Publizist wurde aus der kollektiven Wahrnehmung der Öffentlichkeit gelöscht. Seinen Namen kennt kaum ein junger Mensch, aber auch ansonsten politisch aktive Menschen haben Assange ausgeblendet. Die dringenden Themen um Umwelt, Frieden, Flüchtlinge, Überwachung, Korruption, Gesundheitsfragen und so viele mehr beschäftigen uns. Bislang sehen Wenige eine Verknüpfung zwischen dem Fall Assange und ihrem eigenen Engagement. Durch seine Enthüllungsplattform Wikileaks hat Assange aber tatsächlich die investigative Berichterstattung in allen Bereichen revolutioniert.

Belege für Kriegsverbrechen

Wikileaks veröffentlichte von 2006 bis 2009 bereits weit mehr als eine Million (!) geheimgehaltener Dokumente von Unternehmen und Regierungen. Unfassliche Mengen konkreter Nachweise für Korruption, Umweltverbrechen, für Folterungen und Kriegsverbrechen. 2010 schließlich veröffentlichte Wikileaks das Video »Colateral Murder« und ein 4.000 Dokumente umfassendes Leck »Iraq War Logs«; beides öffnete die Sicht auf Kriegsverbrechen des amerikanischen Militärs im Irak-Krieg. Das Video zeigt, wie amerikanische Soldaten aus einem Apache-Hubschrauber heraus Zivilisten grundlos und mit scheinbar freudigem Eifer erschießen.

Die geleakten Dokumente zeigen auf, dass 66.081 von den 109.032 irakischen Kriegsopfern Zivilisten waren. Nach diesen Veröffentlichungen und nach gescheiterten Versuchen amerikanischer Geheimdienste, Wikileaks zu eliminieren, initiierte die Regierung der USA eine beispiellose Hetzjagd und Verleumdungskampa­gne bis hin zu Mordplänen gegen deren Gründer Julian Assange.

Stand heute: Ein Exempel soll an Assange statuiert werden. Er sitzt seit über 1.000 Tagen ohne Verurteilung in einem berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis, im Londoner HPM Belmarsh, meist in Isolationshaft. Das Damoklesschwert der Auslieferung an die USA und die dortige Aburteilung zu 175 Jahren Haft schwebt seit über einem Jahrzehnt über ihm. Für die durch Assange bekanntgewordenen Kriegsverbrechen wurde nie jemand zur Rechenschaft gezogen. Politisch und medial wird darüber möglichst geschwiegen.

Über ein Jahrzehnt Assange-Geschichte. Eine komplexe Geschichte unkontrollierter Geheimdienste, übergriffiger Regierungen, konsequenzloser Kriegsverbrechen, Verletzungen von Menschenrechten, außer Kraft setzen der Rechtsstaatlichkeit – eine, für freiheitlich denkende Menschen, verstörende Geschichte. Eine Zusammenfassung ohne massive Verkürzung und Auslassung ist nicht mehr möglich.

Aus diesem Grund und aus großer Sorge hat der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Prof. Nils Melzer, ein Buch geschrieben: Der Fall Julian Assange – Geschichte einer Verfolgung. Das Buch ist ein brachialer Augenöffner. Die Recherchen und Interventionen Melzers haben dringend nötige Aufklärung in Sachverhalte gebracht, die lange Zeit für die Missachtung Assanges in der Öffentlichkeit gesorgt haben. Die Ergebnisse der Recherchen haben auch unserer Arbeit Auftrieb gegeben.

Mahnwachen für Assange

Weltweit gibt es Mahnwachen für Julian Assange, um auf die skandalösen Umstände dieses Falles aufmerksam zu machen. Für Einige liegt der Schwerpunkt auf der schamlosen Verletzung von Menschenrechten, andere legen wiederum ihren Fokus auf die Übertretungen rechtsstaatlicher Prinzipien.

Aus den kleinen deutschen Gruppen sind schließlich größere Vernetzungen entstanden und die Aktivitäten gehen weit darüber hinaus, »nur« mahnend auf der Straße zu stehen. Auch eine Internetseite wird betreut und beinhaltet eine große Bandbreite von Informationen, auch über die Aktionen deutscher und anderer europäischer Gruppen (siehe Link unten).

Kurz vor den Bundestagswahlen in Deutschland haben sich lokale Gruppen entschlossen »AfA – Alle für Assange« ins Leben zu rufen. AfA versetzt uns in die Lage, größere Aktionen in Angriff zu nehmen, ohne die (Klein-)Gruppen zu einer Großen zu verklumpen. Selbstorganisiert und selbstfinanziert (oder über kleine Spenden) nutzen wir in den einzelnen Gruppen unsere jeweiligen Potenziale und Ressourcen, um die viele Arbeit möglichst effizient bewältigen zu können. Das erreichen wir nur mit Interaktionen und Vernetzung.

Die Komplexität des Themas und die karge und häufig falsche Berichterstattung in den Medien sind Schwierigkeiten, die wir umgehen müssen, um die Berührungspunkte zwischen der Geschichte Assanges und der realen Bedrohung freiheitlicher Existenz zu vermitteln. Zudem haben die massiven Schmutz-Kampagnen gegen Assange ihre Wirkung nicht verfehlt – diverse Aktivist*innen aus anderen Bereichen meiden das Thema bis heute und ohne Kenntnis der Tatsachen fällt das Nachvollziehen tatsächlich schwer.

Wie drängend es ist, das Thema Assange gemeinsam anzugehen, lässt sich vielleicht durch Reduktion einfacher vermitteln: Ohne freie Berichterstattung (Pressefreiheit) und freie Informationsbeschaffung stehen wir, alle, im Dunkeln.

…die im Dunkeln sieht man nicht.

Link: https://freeassange.eu

In Köln und anderen Städten gibt es recht aktive Mahnwachen für Assange.

Kontakt der Kölner Gruppe: free-assange-koeln@protonmail.com

Titelbild: Mahnwache für Julian Assange in Köln. Foto: Herbert Sauerwein

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