Proteste gegen geplante Castor-Transporte

In Nordrhein-Westfalen sind 152 Castor-Transporte vom stillgelegten Versuchsreaktor in Jülich nach Ahaus im Münsterland geplant. Die Bürger­initiative »Kein Atommüll in Ahaus« kritisiert die Pläne und ruft zu Protesten auf.

Bürgerinitiative »Kein Atommüll in Ahaus« & Regine Beyß, Redaktion Kassel

Vor einem Jahr wurden die letzten Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Mit den Spätfolgen dieser problematischen Technologie bleibt unsere Gesellschaft aber noch lange belastet. Aktuelles Beispiel: Das Forschungszentrum Jülich will seinen Atommüll schnellstmöglich nach Ahaus schaffen. Wie einem aktuellen Bericht von NRW-Innenminister Reul an den NRW-Landtag zu entnehmen ist, bereitet sich die Polizei mittlerweile auf 152 Einzeltransporte von Castor-Behältern mit Atommüll durch NRW vor. Damit sollen die ausgedienten Brennelemente des stillgelegten Versuchsreaktors (AVR) von Jülich ins Zwischenlager Ahaus gebracht werden. Beauftragt mit der Organisation ist die Kreispolizeibehörde (KPB) Münster. Sollten Polizeikräfte aus NRW zur Transportbegleitung nicht ausreichen, würden Polizeieinheiten des Bundes und anderer Länder um Unterstützung ersucht, so Reul. Bereits bei den Probetransporten von leeren Behältern im November 2023 waren rund 300 Polizeibeamt*innen im Einsatz.

Die Bürgerinitiative »Kein Atommüll in Ahaus« kritisiert diese Pläne: »Seit 25 Jahren gilt in Deutschland das Prinzip, dass hochradioaktiver Atommüll am Ort der Entstehung gelagert wird, solange kein Endlager zur Verfügung steht – aber ausgerechnet jetzt wird der gigantischste Castor-Transport aller Zeiten vorbereitet«, so Sprecher Hartmut Liebermann. »Das Forschungszentrum Jülich sabotiert die Errichtung eines adäquaten Lagers am Ort seit über zehn Jahren. Und dabei wird es auch noch von der Bundesregierung unterstützt: So verzögert das Bundesministerium für Bildung und Forschung seit Monaten die Zustimmung zum Kaufvertrag für ein entsprechendes Grundstück«, ergänzt Felix Ruwe von der Bürgerinitiative. Die Betreiber des Forschungszentrums in Jülich, die diesen Müll produziert haben, seien verantwortlich für seine möglichst risikolose Lagerung am Ort selbst und vor allem für die Entwicklung einer Methode zu seiner dauerhaften Entsorgung.

Die Bürgerinitiative fordert nach wie vor, dass der Müll aus Jülich am Ort bleibt. Solange dort kein neues Lager zur Verfügung steht, sollte er übergangsweise weiterhin in der bestehenden Lagerhalle bleiben. Für diese war vor allem wegen der nicht absehbaren Erdbebengefahr 2014 eine Räumungsverfügung durch die Atomaufsicht erlassen worden. In der Erdbebenfrage sind aber seit zwei Jahren nach Feststellung des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung die sicherheits­technischen Anforderungen erfüllt. Die Bürgerinitiative verlangt von der Atomaufsicht deshalb, die Räumungsverfügung aufzuheben.

Für den 21. April rief die Bürger­initiative zu einer Protestkundgebung gegen die drohenden Atommüll-Transporte in Ahaus auf. Laut WDR beteiligten sich rund 100 Menschen. Die Forderung, den Atommüll in Jülich zu belassen, werde auch von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden aus ganz NRW mitgetragen. In Jülich selbst ist seit über zehn Jahren das Aktionsbündnis »Stop Westcastor« gegen die geplanten Atommülltransporte aktiv.

»Atommüllverschiebung ist keine Entsorgung. Sie bringt nur zusätzliche Risiken mit sich«, so Hartmut Liebermann. »Auch die NRW-Landesregierung sieht das so und will, dass die Brennelemente in Jülich bleiben. Aber sie tut noch zu wenig dafür, dieses Ziel durchzusetzen. Und von der Bundesregierung erhält sie keine Unterstützung. Darum sind verstärkt Protestaktionen der betroffenen Bevölkerung nötig.« Sowohl die Stadt Ahaus als auch der Umweltverband BUND behalten sich eine Klage vor, sollte das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung die Transporte vom Niederrhein ins Münsterland genehmigen, berichtet der WDR.

Das Datum der Kundgebung sollte auch an die atomare Katastrophe von Tschernobyl erinnern, die sich am 26. April 1986 ereignete. Dieses Datum und das international ungelöste Atommüllproblem seien für die Anti-Atomkraft-Bewegung zwei von vielen Gründen gegen jegliche weitere Nutzung der Atomenergie, schreibt der Bundesverband Bürger­initiativen Umweltschutz (BBU) und fordert deshalb auch die sofortige Stilllegung der Urananreicherungsanlage in Gronau, die nur circa 20 Kilometer von Ahaus entfernt ist. Zudem lehnt der BBU den geplanten Neubau von Atomkraftwerken in den Niederlanden ab. »Neue AKW westlich von NRW oder Niedersachsen wären eine weitere nukleare Gefahr – nicht nur für den Nordwesten der Bundesrepublik – die nicht hinnehmbar ist«, sagt BBU-Vorstandsmitglied Udo Buchholz.

Die Bürgerinitiative »Kein Atommüll in Ahaus« wurde 1977 gegründet, als erste Pläne für den Bau eines Atommüll-Zwischenlagers in Ahaus bekannt wurden. Sie ist ein parteipolitisch unabhängiger Zusammenschluss von Menschen aus Ahaus und Umgebung, die sich gegen die Nutzung der Atomenergie im Allgemeinen und von Bau und Betrieb des Atommüll-Lagers in Ahaus im Besonderen engagieren wollten.

Titelbild: Protest-Aktion gegen die geplanten Castor-Transporte von Jülich nach Ahaus. Foto: Hubert Perschke

Links:
www.bi-ahaus.de
www.westcastor.org
www.bbu-online.de

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