Zukunftshaus Würzburg: alltagstaugliche Nachhaltigkeit

»Nachhaltigkeit sollte keine Frage der Zeit oder des Geldbeutels sein.« Unter diesem Leitmotiv wurde im Oktober 2022 das erste Zukunftshaus Deutschlands mitten in Würzburg eröffnet. Mit den vier Angeboten Kaufen, Mieten, Tauschen und Reparieren unter einem Dach wollen die Gründer*innen die Hürden für nachhaltigen Konsum deutlich reduzieren. Das nachhaltige Kaufsortiment umfasst über 3.000 Artikel aus den Bereichen Bekleidung, Lebensmittel, Schreibwaren, Kosmetik, Reinigung, Küche und Wohnen, IT, Garten und anderes mehr.

Matthias Pieper, Würzburg

Die große Breite des Angebots im ersten Zukunftshaus Deutschlands geht einher mit einer geringen Sortimentstiefe: Es gibt immer nur das nachhaltigste Produkt zu kaufen, das seitens der Genossenschaft in komplexer Recherche gefunden wurde. Im Mietbereich können die Menschen fast 400 Artikel unkompliziert online reservieren und nutzen, ohne sie kaufen und besitzen zu müssen. Zur Verfügung stehen vor allem Werkzeug, Küchenmaschinen, Campingartikel, Partyausstattung, Reinigungsgeräte und Spiele.

Sinn durch erneute Nutzung

Der Tauschbereich mit zwei separaten Räumen hat wie der Verkaufsladen jeden Werktag geöffnet. Zahlreiche Dinge wie Kleidung, Haushaltsartikel, Bücher und vieles mehr wechseln in einem geldfreien Kreislauf ihre Besitzer*innen. So muss nicht alles neu produziert werden, sondern ungenutzte Dingen bekommen durch erneute Nutzung wieder einen Sinn. Bereits im ersten Jahr wurden von Ehrenamtlichen über 500 Gegenstände repariert, vor allem kleine Elektrogeräte wie Mixer, Radios und Lampen. Die Abgabe von defekten Elektroartikeln ist an jedem Werktag möglich. Alle vier Bereiche sind werktags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Vor allem in den Bereichen Mieten, Tauschen und Reparieren spielt der Geldbeutel keine Rolle. So wird Nachhaltigkeit alltagstauglich.

Geführt wird das Zukunftshaus von der Genossenschaft Zukunftshaus eG. Sie hat Räume von ca. 200 qm in der zentralen Innenstadt gemietet, direkt an der Straßenbahn-Haltestelle »Rathaus«. Zwei Räume von je 15 qm verpachtet die eG an den gemeinnützigen Zukunftswerk e.V., der dort mit der Unterstützung Ehrenamtlicher den Tauschbereich betreibt und die Miete über die Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert. Die Genossenschaft ist mit fünf Angestellten – darunter drei hauptamtliche Vorstände – für die Bereiche Kaufen, Mieten und Reparatur zuständig. Der Umsatz aus dem Verkauf der nachhaltigen Produkte macht rund 90 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Durch die Mietgegenstände werden etwa fünf Prozent, durch die Reparaturvermittlung circa zwei Prozent und aus der Untervermietung der Räume an den Verein vier Prozent der Einnahmen erzielt.

Die Umsätze variieren einzelhandelstypisch über das Jahr mit einem Höhepunkt im Dezember. In den ersten Monaten des zweiten Jahres konnten die Umsätze um 25 Prozent gegenüber dem ersten Jahr gesteigert werden. Damit genug Liquidität in der Aufbauphase vorhanden ist, hat die Genossenschaft ein Darlehen aufgenommen und sie wirbt unter den Kund*innen des Zukunftshaus um neue Genoss*innen. So konnte die Zahl der Mitglieder im letzten Jahr von 56 auf 300 erhöht werden. Ziel ist es, nach drei Jahren allein aus dem Umsatz schwarze Zahlen zu schreiben.

Die Zusammenarbeit mit dem Verein erweist sich als sehr eng. Das Zukunftshaus wird mit ihm gemeinsam betrieben. Aus dem Verein heraus wurde die Genossenschaft gegründet. Die Verantwortlichen beider Rechtsformen verfolgen als gemeinsames Interesse, das Projekt Zukunftshaus zu einer Erfolgsgeschichte zu machen. Entsprechend gibt es regelmäßige Treffen zwischen beiden Organisationen. Auch arbeitet einer der Vorstände der Genossenschaft im erweiterten Vorstand des Vereins mit.

Pilotprojekt für nachhaltigen Konsum

In Forchheim wurde im Mai 2023 nach dem Vorbild aus Würzburg ein zweites Zukunftshaus eröffnet. Dieses wird von einem Verein betrieben und ist in den Bereichen Reparatur und Tauschen tätig. Die Zukunftshaus eG verfolgt in Würzburg das Ziel, exemplarisch zu zeigen, wie sich nachhaltiger Konsum alltagstauglich und wirtschaftlich gestalten lässt. Dadurch angeregt sollen viele weitere Zukunftshäuser oder ähnliche Initiativen gegründet werden.

Einen großen Erfolg kann die Genossenschaft seit Sommer 2023 verbuchen: Das Zukunftshaus Würzburg gehört zu drei ausgewählten Pilotprojekten in Deutschland für nachhaltigen Konsum und Innenstadtentwicklung. Mithilfe einer finanziellen Förderung durch das Umweltbundesamt sowie einer wissenschaftlichen Begleitung durch die unabhängige Forschungs- und Beratungseinrichtung adelphi wird unter anderem ein Handbuch erstellt. Dies beschreibt, wie ein Zukunftshaus aufgebaut werden kann und wie die vier Bereiche gemeinsam, aber auch jeder für sich funktionieren. Das Handbuch »Wie baue ich ein Zukunftshaus auf« soll nach Fertigstellung über das Umweltbundesamt und ein europäisches Partnerprojekt EU-weit verbreitet werden.

Titelbild: Der Vorstand der Zukunftshaus-Genossenschaft: Ulrich Emmerling, Matthias Pieper und Lisa Spängler. Foto: Simone Köhler

Link: www.zukunftshaus-wuerzburg.de

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