Zapatistas in Europa

»Manche meinen, wir sind an Großereignissen und Medienwirkungen interessiert. Wir aber haben gelernt, dass Samen getauscht und gesät werden, im Alltag wachsen, im eigenen Boden, mit dem Wissen jeder und jedes Einzelnen.« (aus der Rede des »Geschwaders 421« anlässlich ihrer Ankunft im spanischen Vigo)

Heinz Weinhausen, Redaktion Köln

Für viele Initiativen von links und unten war es DAS Ereignis im Jahre 2021. Trotz aller Widrigkeiten kamen sie für drei Monate nach Europa, die Delegationen der Zapatistas und des CNI, des indigenen mexikanischen Kongresses. Zunächst kamen sie zu siebt gesegelt, dann zu 177 Companer@s mit dem Flugzeug. Ein Einziger aus der Bewegung hatte vor Jahren die Idee zur »Gira por la Vida«, der Reise für das Leben zu allen Kontinenten, so erzählte es Subcomandante Moisés von der EZLN (Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung) in Frankfurt. Nachdem die Vision des Einzelnen nach und nach zum gemeinsamen Plan herangereift war, wurde sie zur Konsensstimme der autonomen zapatistischen Gemeinden.

Die Mutter Erde ist bedroht, sagen die Indigenas in Chiapas. Wir haben nur eine Erde, sagen die Klimabewegten in Europa wie auf anderen Kontinenten. Da liegt es auf der Hand, dass WIR zusammenwachsen gegen einen sehr mächtigen Gegner, das heutige neoliberale kapitalistische System, das nicht imstande ist, sich vom Wachstum um des Wachstums willen zu verabschieden. Die Zapatistas sind gekommen, um von den Aktiven hier zu lernen, sie sind aber auch gekommen, um ihre Erfahrungen aus 27 Jahren Aufstand und Autonomie einzubringen: Rebellion und Widerstand. Rebellion heißt für sie, unbeugsam zu sein und stets gegen die Auswirkungen des gnadenlosen Neoliberalismus zu kämpfen. Widerstand heißt für sie, den Kapitalismus nicht mehr zu machen, sprich sich dem System der Lohnarbeit zu entziehen und eine solidarische Ökonomie und Eigenversorgung aufzubauen. Letzteres ist sicherlich der Pferdefuß der Bewegungen in Europa. Sehr viele Menschen demonstrieren und kämpfen, wobei der Akteur stets der Staat, die schlechte Regierung ist, die etwas nicht tun soll oder etwas umsetzen soll. Nur wenige von ihnen kämpfen für ihren Einstieg in anderes Wirtschaften hin zu einem alltäglich vernetzten Miteinander. Die Dimension, sich darüber hinaus auch noch gut selbst regieren zu wollen, ist in Europa Neuland geblieben, obwohl in Chiapas mehr als 100.000 Companer@s – gewöhnliche Menschen, teils ohne Schulausbildung – dies Jahr für Jahr leben. Auf ihrer Reise für das Leben konnten die Zapatistas viel von unserem »eigenen Boden« kennenlernen, wir könnten von ihnen lernen, uns regional und europaweit auf allen Ebenen für das Leben zu organisieren.

Im Schwerpunkt erzählen Aktivist*innen aus einigen der vielen Reisevorbereitungsgruppen von ihren Begegnungen mit den Indigenas und wie sie in der Reisevorbereitung mitwirkten. Es sind subjektive Bilder, kein repräsentatives Gesamtbild der Reise. In nächster Zeit werden sicherlich noch weitere in den sozialen Medien dazu kommen. Zahlreiche Empfehlungen zur zapatistischen Bewegung laden zum Weiterlesen ein.

Titelbild: SSM-Köln: Die »Reise für das Leben« wird begrüßt. Foto: Wolfgang Hippe


Werft auch einen Blick ins Inhaltsverzeichnis der Januar-Ausgabe >>>

Ihr wollt eine oder mehrere Ausgaben der CONTRASTE bestellen? Dann schreibt einfach eine Mail an: abos@contraste.org

Das könnte für dich auch interessant sein.