Von den Waffen zur Kooperation

Die Initiative der »Combatants for Peace« (Kämpfer für den Frieden) wurde 2006 von ehemaligen israelischen Soldat*innen und palästinensischen Widerstandskämpfer*innen gegründet. Sie setzt sich für ein Ende der israelischen Besatzung und eine Zwei-Staaten-Lösung ein und zeigt in Aktionen, Workshops, Theateraufführungen und Lesungen, dass und wie Menschen, die früher »die Waffen aufeinander richteten und sich nur durch die Visiere der Waffen sahen, zusammen leben und arbeiten können«. Gerade angesichts des Gaza-Kriegs treten die Combatants for Peace für eine gewaltlose Lösung des jahrzehntealten Konflikts ein. Zwei Mitglieder der Gruppe erzählten am 8. November 2023 in Köln von ihrer Geschichte, ihren Erfahrungen und ihren Zielen. Eingeladen hatte der Städtepartnerschaftsverein Köln-Bethlehem.

Kurt Luckhardt, Köln und Ariane Dettloff, Redaktion Köln

Zu den Aktivitäten der Combatants for Peace gehören unter anderem Führungen durch die besetzten Gebiete für Israelis, Treffen mit Jugendgruppen, gemeinsame Protestmärsche und gewaltfreie Solidaritätsaktionen wie zum Beispiel Hilfe für palästinensische Bäuer*innen bei der Oliven-Ernte oder Schutzwachen bei Übergriffen von Siedler*innen. Die Organisation veranstaltet Treffen für und mit ehemaligen Kämpfer*innen an Universitäten, Schulen oder in Jugendgruppen und versucht so aktiv, den israelisch-palästinensischen Dialog zu unterstützen. Ebenfalls gibt es Aktionen gegen israelische Bauvorhaben in den besetzten Gebieten sowie Touren dorthin. In Seminaren und Workshops teilen die Aktivist*innen ihre persönlichen Geschichten. Sie fragen sich: Welche Gewalterfahrungen haben wir gemacht? Was wussten wir über die andere Seite? Wer sind wir heute und wer möchten wir sein? Sie laden zu aktivem Zuhören ein und ermutigen Israelis und Palästinenser, die nächsten Kapitel der Geschichte(n) gemeinsam zu schreiben.

Am 10. Oktober 2023 veröffentlichte die Initiative eine Stellungnahme, in der es heißt:

»Seit drei Tagen sieht sich Israel einem beispiellosen Überraschungsangriff von Hamas-Kräften ausgesetzt, die aus dem Gazastreifen in die umliegenden Gemeinden eingedrungen sind und eine brutale und schockierende Kampagne der Ermordung und Entführung von Zivilisten und Soldaten gestartet haben. Als Reaktion darauf hat Israel offensive Luftangriffe auf den Gazastreifen geflogen, bei denen Hunderte von Menschen getötet wurden, die überwiegende Mehrheit von ihnen sind Zivilisten. All diese Gewalt kommt Kriegsverbrechen gleich, und wir verurteilen auf das Schärfste alle Verstöße gegen das internationale und humanitäre Recht – von allen Seiten.«

Bei der von 90 Menschen besuchten Veranstaltung in Köln mit zwei Mitgliedern von Combatants for Peace berichtete der israelische Arzt Rotem Levin:

»Ich bin in einem Ort zwischen Haifa und Tel Aviv aufgewachsen. Mit 17 mussten wir nach Polen fahren, um über den Holocaust als mentale Vorbereitung für den dreijährigen Militärdienst unterrichtet zu werden. Es sollte das Bewusstsein entstehen, dass wir in der Armee der Israelis weniger leiden müssen als damals unter den Deutschen.

Ich kenne keinen Israeli, der den Kriegsdienst verweigert hat. Für den sozialen Status in Israel ist es sehr wichtig, dass man einen hohen Rang in der Armee erreicht. So entschied ich mich, Pilot zu werden. Ich wurde jedoch nach einem Jahr in die Westbank versetzt, wo die Soldaten alles kontrollierten. Dort haben wir in einem Dorf in der Nacht den Befehl bekommen, ohne Grund Blendgranaten zwischen die Häuser zu werfen. Mein Kamerad hatte ein schlechtes Gewissen, und als wir uns über die Situation unterhalten haben, hat der Kommandeur diese Unterhaltung sofort unterbunden mit dem Hinweis, dass man Befehlen zu gehorchen habe. Mit 22 Jahren habe ich das erste Mal einen Palästinenser kennengelernt. Das geschah, als ich bei einer Reise durch Deutschland zu einem Seminar mit Palästinensern eingeladen wurde. Ich war neugierig, weil ich Palästinenser kennenlernen wollte. Und ich war geschockt über die brutale politische Geschichte der Israeliten, über die dort berichtet wurde. Während meines Medizinstudiums habe ich dann auch Arabisch gelernt. Auch dadurch konnte ich das ›Lagerdenken‹ durchbrechen.«

Osama Iliwat aus Jericho/Palästina ist Vorstandsmitglied von Combatants for Peace und Gründer der Solidaritätsreisen »Visit Palestine«. Er erzählte:

»Ich bin in Jerusalem aufgewachsen. Meine Eltern haben mir vermittelt, dass wir die letzten Araber dort seien. Es gibt ein Narrativ, dass wenn ein Araber die Stadt Jerusalem verlassen hat, er nie wieder dorthin zurückkehren darf. Wir sind dann nach Jericho gezogen, wo ich mich bis 1987 wie im Paradies gefühlt habe, weil ich dort so frei in der Natur spielen konnte. Nach dem Beginn der Intifada 1987 haben wir dann Zwiebeln mit ins Bett genommen, um uns ein wenig Erleichterung vor dem Tränengas der Israelis zu verschaffen. Durch das brutale Vorgehen der Israelis im Westjordanland wurde ich immer wütender. Zusammen mit meiner Schwester habe ich als 14-Jähriger aus alten T-Shirts eine Palästinafahne gebastelt und sie in einen Baum gehängt. Drei Tage später wurde ich von zwanzig schwer bewaffneten Soldaten in ein Gefängnis verschleppt, wo ich ohne Gerichtsurteil neun Monate unter brutalen Bedingungen inhaftiert blieb. Mein Hass auf die Israelis wurde immer stärker.

2009 hat mich dann ein Freund in Bethlehem zu einer Versammlung von Friedensaktivisten mitgenommen. Sie trugen alle eine Kippa auf dem Kopf; ich war empört und bin raus in den Schnee gegangen und habe draußen auf ihn gewartet. Als die Teilnehmenden an mir vorbeigingen, habe ich gehört, wie die Israelis darüber sprachen, dass die Palästinenser so furchtbar leiden. Diese Bemerkung eines Juden hat mich wachgerüttelt, so dass ich schließlich zum Friedensaktivisten wurde.«

Im Anschluss an die Erzählung der beiden Aktivisten kam das Publikum zu Wort. Auf die Frage, ob ihr Leben derzeit akut gefährdet sei, berichtete Rotem, er habe nach Veröffentlichungen in sozialen Medien Morddrohungen erhalten. Auch Osama fürchtet um sein Leben, besonders jetzt in der allgemein aufgeheizten Stimmung während des Kriegs.

Link: https://cfpeace.org

Titelbild: Die Gruppe »Palestinians and Jews for Peace« rief am 19. November zu einer Friedensdemo in Köln auf. Foto: Herbert Sauerwein

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