Strategien gegen Sexismus auf Festivals

Mehr als 150 Menschen kamen am zweiten Aprilwochenende zusammen, um gemeinsam Strategien gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt auf Festivals zu entwickeln. Sie trafen sich zu einem »Social Hackathon«, einer Online-Veranstaltung, auf der in kurzer Zeit durch intensive Zusammenarbeit eine Lösung für ein bestimmtes Problem gefunden werden soll.

Helene Jüttner, Berlin

Anfang 2020 wurde bekannt, dass ein Mitarbeiter des linken Festivals »Monis Rache« auf Dixie-Toiletten versteckte Kameras installiert hatte. Die Videoaufnahmen veröffentlichte und verkaufte er ohne das Wissen der gefilmten FLINTA* (Frauen, Lesben, Inter, Nichtbinäre, Trans und Asexuelle) auf Pornoseiten. Auch auf dem Fusion-Festival wurden FLINTA* heimlich beim Duschen gefilmt. Mit dem Bekanntwerden dieser Vorfälle wird für potenziell betroffene Personen schmerzhaft klar: Kein Ort ist heilig.

»Viele FLINTA* fühlten sich plötzlich nirgendwo mehr sicher, denn auch an vermeintlich utopischen Orten, wie alternativen Festivals, oder in vermeintlich geschützten Bereichen der Privatsphäre wie Toiletten, lauern Sexismus und sexualisierte Gewalt«, schreiben die Organisator*innen des Hackathons. Sie gründeten als Reaktion auf das Bekanntwerden der Vorfälle die Initiative »My Body Is Not Your Porn«, starteten eine medienwirksame Kampagne und organisierten Demos in Berlin und Leipzig.

Um Festivals zu sicheren Räumen für alle Menschen zu machen, reicht es aber nicht, Täter auszuschließen und die Wut auf die Straße zu tragen. Veranstalter*innen, Besucher*innen und Mitwirkende brauchen einen Plan, wie sie sexualisierte Gewalt auf Festivals verhindern können. Das Entwickeln dieser konkreten Handlungsanweisungen war das Ziel des Hackathons.

»Hackathon« setzt sich aus den Worten »hacken« und »Marathon« zusammen und ist ursprünglich ein Begriff der IT-Branche. Ein Hackathon ist eine zeitlich begrenzte Veranstaltung und widmet sich der Lösung eines bestimmten Problems. Bei einem »Social Hackathon« ist das kein technisches Problem, sondern ein gesellschaftliches. In diesem Fall: Wie können wir Sexismus und sexualisierte Gewalt auf Festivals verhindern?

Die Organisator*innen gaben zehn Themenbereiche vor. Sie schienen bewusst nur lose definiert, um Teilnehmer*innen und Referent*innen Gestaltungsspielraum zu lassen. Es ging um Awareness-Konzepte im Allgemeinen und Awareness-Strukturen auf Festivals im Besonderen. Der Einfluss von Crewstrukturen wurde untersucht und mit der Frage verknüpft, wie ein verantwortungsvolles Miteinander aussieht. Die Gestaltung des Festivalgeländes wurde ebenso auf den Prüfstand gestellt, wie Security-Konzepte und Öffentlichkeitsarbeit. Auch den Fragen, was nach dem Festival zu tun ist und wie man eine »Spy-Cam« (also eine versteckte Kamera) findet, wurde nachgegangen.

Jedes Thema wurde von Referent*innen begleitet. Es sollten aber keine klassischen Vortragssituationen (eine\*r redet, der Rest konsumiert) entstehen. Die Referent*innen griffen eher moderierend ein, stellten Fragen und gaben Methoden an die Hand, um konkrete Fragestellungen zu bearbeiten. Wichtigstes Kollaborationstool für die Arbeit ist das digitale Whiteboard »miro«. Eine große weiße Fläche kann zeitgleich von allen Gruppenmitgliedern mit Post-it-Zetteln, Textfeldern, Tabellen und Bezugspfeilen gefüllt werden. Eine bunte, leicht chaotische Kollage entsteht und kann im Laufe der Veranstaltung beliebig erweitert werden.

Die erarbeiteten Konzepte waren vielfältig und wurden am Ende des Wochenendes in einer Abschlussveranstaltung präsentiert. Einige Beispiele:

Die AG »Festivalgelände« entwarf die »Kraft-Tanke«: Einen Rückzugsort für FLINTA*, der mit Bar und Musik Teil des Festivalgeschehens ist und trotzdem sichere Räume – von der Sofaecke bis zum Kriseninterventionsraum – bietet. Die AG »Rechtliche Handlungsoptionen« trug in einem Reader zusammen, wie Veranstalter*innen einen rechtlich bindenden Verhaltenskodex für alle Beteiligten umsetzen können oder welche rechtlichen Schritte nach Übergriffen eingeleitet werden sollten. Die AG »Technische Lösungen« rückte Spy Cams mit Detektor-Kits zu Leibe und sammelte Möglichkeiten, um Aufnahmen besser nachverfolgbar zu machen. Die AG Öffentlichkeitsarbeit versuchte, Kommunikation möglichst barrierefrei zu gestalten, erprobte die Verwendung leichter Sprache und die Einbindung von Audioformaten. Außerdem erstellte sie Fahrpläne für die Kommunikation im Krisenfall und entwickelte Strategien für eine diskriminierungssensible und machtkritische Kommunikation.

Dieser Social Hackathon kann ein echter Gewinn für die Festival-Szene sein. Den Leerlauf der Corona-Zeit haben die Organisator*innen genutzt, um Grundlagen- und Präventionsarbeit anzustoßen. Eine Arbeit, die im Eifer der Vorbereitung vor dem Festival, dem Trubel der Durchführung während des Festivals und der müden Trägheit nach dem Festival oft zu kurz kommt. Wichtig ist jetzt, dass die Ergebnisse des Hackathons nicht verhallen, sondern aufgearbeitet, veröffentlicht und angewendet werden.

Links:
https://hacksexism.de/
https://www.instagram.com/mbinyp/

Titelbild: Julika Prantner

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