Klimabewegung(en) im Globalen Süden

Im globalen Norden ist in den letzten Jahren das Thema Klimakrise stark ins Zentrum gerückt, dadurch sind andere ökologische Krisen aus dem Blick geraten. Doch es greift zu kurz, die Überschreitung planetarer Grenzen allein unter dem Aspekt von CO2-Emissionen zu betrachten.

Brigitte Kratzwald & Peter Streiff

Die Klimaerwärmung ist nur einer von neun Bereichen, in denen die planetaren Grenzen durch unsere Art zu wirtschaften bedroht sind. Und, so dringlich die Klimakrise ist, sie ist nur ein Symptom unter vielen. Andere planetare Grenzen wurden bereits in größerem Ausmaß überschritten, etwa der Stickstoffkreislauf, die Biodiversität und der Süßwasser- und Landverbrauch. Dazu kommen soziale Krisen, Hunger und Konflikte. Die Lösung all dieser Probleme lässt sich nicht auf eine Reduktion des CO2-Ausstoßes reduzieren. Die Klimakrise verschärft alle schon davor durch das kapitalistische Wirtschaftssystem hervorgerufenen Krisen. Gleichzeitig ist sie aber nur die Spitze des Eisbergs.

Hinzukommt, dass die Länder des globalen Nordens die Hauptverursacher der Klimakrise sind, während die Menschen im globalen Süden sie als erste ausbaden müssen. Dazu verschieben wir auch die Bearbeitung der Klimakrise an die Peripherie, postkoloniale Denker*innen sprechen dabei von Neokolonialismus. Ein guter Teil der sogenannten »Klimaneutralität« entsteht durch Kompensationsgeschäfte, die häufig Menschen im globalen Süden schädigen, besonders indigene Gemeinschaften. Damit der Wald »geschützt« werden kann, werden sie vertrieben und verlieren ihre Lebensgrundlagen.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass die Szene der Klimabewegungen in Afrika oder Lateinamerika viel bunter ist als in Europa – und eine andere Perspektive einnimmt. Mit den massiven Auswirkungen der Klimakrise konfrontiert, bleibt keine Zeit für Rechenexempel mit CO2. Die Menschen müssen mit den Veränderungen des Klimas und häufiger werdenden Naturkatastrophen umgehen und entwickeln dabei Strategien, die an den Wurzeln der ökologischen Krisen ansetzen, umfassende systemische Änderungen anstreben und oft auch bereits bewirken.

Die in dieser Ausgabe vorgestellten Projekte und Konzepte sind gelungene Adaptionen an die Klimaerwärmung und wirken gleichzeitig einer weiteren Erderhitzung entgegen. Sie verbessern dabei auch die Lebenssituation der Menschen und sind – weil sie auf lokalem Wissen und lokalen Ressourcen aufbauen – auch Projekte der Selbstermächtigung und Partizipation. Angesiedelt in verschiedenen Bereichen wie Architektur, Landwirtschaft oder Energie- und Wasserversorgung fördern viele Initiativen besonders Frauen, die in den südlichen Ökobewegungen eine zentrale Rolle spielen.

So entwickelt die Heritage Foundation in Pakistan gemeinsam mit Menschen, die durch Konflikte oder Naturkatastrophen ihre Häuser verloren haben, mit lokalen Baustoffen und traditionellen Techniken »Zero-Carbon-Häuser« (Seite 9). Außerdem stellen wir ein Agroforstprojekt der WeltPartner eG in Burundi vor, das ökologische und soziale Verbesserungen für Kaffeebäuer*innen erreicht und ebenfalls auf breiter Partizipation basiert (Seite 10). Ein spendenbasierter Trinkwasserbrunnen und ein Aufforstungsprojekt mit Kakaobäumen verbessern die Lebensperspektiven für Indigene im Regenwald von Amazonien (Seite 11). Die globale Umweltaktivistin Vandana Shiva entlarvt in ihrem Beitrag die »Wachstumsökonomie des einen Prozents« als lebensfeindlich und ruft zur Stärkung der Ernährungssouveränität und der Saatgutfreiheit auf (Seite 12).

Titelbild: Frauen in Kleinbäuer*innen-Kooperativen sind entscheidende Kräfte bei der Umstellung auf agrarökologische Wirtschaftsformen. Foto: Weltpartner eG


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