»Ich male die Bilder meiner Zeit«

Facebook sei Dank (!) für die Entdeckung einer Malerin, deren Bilder mich seither täglich begleiten: Die Künstlerin Maf Räderscheidt stellt unter dem Motto »A painting a day keeps the doctor away« tatsächlich täglich eines ihrer Bilder ins soziale Netzwerk. Bilder, die staunen lassen, sprachlos machen, die erfreuen, zum Nachdenken anregen, aber auch erschüttern können. Eine Annäherung an die tiefsinnige und scheinbar unerschöpfliche Malkunst von Maf Räderscheidt.

Kathrin Hampf, Darmstadt

Von der Großmutter, Marta Hegemann, deren Malkunst dem Dadaismus zugetan war und deren Bilder im Nationalsozialismus als »Entartete Kunst« vernichtet worden waren, lernte Martha Angelika Felicitas schon früh, was es heißt, eine Malerin zu sein; einfach, indem die Großmutter die kleine Maf bei der Arbeit zusehen ließ. Auch der Großvater, Anton Räderscheidt, war als Künstler anerkannt. Er war ein Maler der Neuen Sachlichkeit, auch seine Bilder wurden im Dritten Reich als entartet angesehen und beschlagnahmt. Von diesen Großeltern hat die Enkelin, sozusagen als Kapital fürs Leben, zur künstlerischen Ader wahrscheinlich auch den Glauben an sich selbst mitbekommen.

Räderscheidt wurde 1952 in Augsburg geboren, sie wusste recht früh, dass sie Malerin werden wird. Das Studium an den Kölner Werkschulen schloss sie 1976 als Meisterschülerin von Frau Professor Marianne Kohlscheen-Richter ab. Mit ihren kleinformatigen Radierungen und Kupferstichen wurde sie bald ein »Star«, gehörte zu den Großen der Szene. In den achtziger Jahren folgten erste Raum-Installationen, Zeichnungen auf Glasscherben, Installationen aus großformatigen Zinkplatten, großformatige Kohlezeichnungen, Wandmalereien und Performances. Mitte der Achtziger war sie Mitgestalterin bei der Frauenzeitschrift EMMA und gehörte zur »Vierer-Bande«, die mit der Gemeinschaftsausstellung »Playboy« in München Furore machte. 2004 erschuf Maf Räderscheidt die größte Radierung der Welt mit einer Größe von zwei Mal ein Meter. Seit 2009 malt sie Aquarelle, sowie großformatige Öl- und Pig­­mentbilder.

Als Dozentin lehrte Maf Räderscheidt von 1981 bis 1983 an der FH Köln zeichnerische Wahrnehmung beziehungsweise Freihandzeichnen, 2009 bis 2018 an der Internationalen Kunstakademie Heimbach. Dazwischen moderierte sie die »Rheingalerie« für den Kölner Lokalsender Center TV.

Aquarell von Maf Räderscheidt mit dem Titel »Hinter Rücksicht lockt die Sinnlichkeit«

Einem öffentlichen Atelier in Bad Münstereifel folgte nach dem Umzug 2012 in Schleiden das Künstlerhaus »Kulturschock«. Aus einem ehemaligen Krankenhaus wurde eine soziale Skulptur, in der Kund*innen, Freund*innen und Nachbar*innen Teil einer riesigen, lebendigen Installation waren. Der »Kulturschock« war Ausstellungs- und Konzertraum, Treffpunkt für junge Künstler*innen, für Plauder- und Handarbeitsstunden, ein Heim für gerettete Kleintiere und natürlich auch ein öffentliches Atelier. Und als sich die Türen des »Kulturschocks« schlossen, eröffnete Maf Räderscheidt in Gemünd ihr heutiges Atelier: »Die Küsse der Farben« ist mit seinen großen Schaufenstern ein bunter Lichtblick im kleinen Ort in der Eifel.

»Die Küsse der Farben« ist auch der Titel eines 2017 veröffentlichten Romans, in dem die Malerin tiefe Einblicke gibt in ihre Arbeit und die Liebe zur Malerei. Der Pinsel wird zum Zauberstab, die Leinwand zur Geliebten, das Bild wird zum Vulkan und lässt die große Liebe zu Schöpfung und Geschöpfen ahnen. Maf Räderscheidt malt leidenschaftlich, engagiert, wild und humorvoll. Mit ihren Pinseln kämpft sie gegen die Dämonen in der Welt, gegen Gleichgültigkeit, Geldgier und gedankenlose Rücksichtslosigkeit.

Die Frauen in Maf Räderscheidts Bildern »haben richtige Lust und sind zu tiefer Leidenschaft fähig, aber den erotischen Hingucker wollen sie nicht geben. Da beginnt ihnen sogleich wie von Zauberhand das Malmittel übers Gesicht zu schlieren, die Brust in Schieflage zu rutschen oder das Füßchen zu verklumpen.

Denn diese Last einer Kunstgeschichte, die seit Jahrhunderten durch eine männerzentrierte Sichtweise dominiert wird, wirkt nicht einfach als eine Art neu erfundener Frauenfilter vor der Leinwand. Das wäre einfach, aber ein verhängnisvoller Irrtum. Es ist weitaus schwerer, das Wissen patriarchaler Großmannsgier in der Malerei gegen einen frischen Dickkopf auszutauschen. Sich nicht in trotziger Einfalt dümmlich zu verweigern oder die Eckpfeiler zu versetzen, sondern wissend zu entgegnen, ohne den Humor zu verlieren, ein neues Feuer zu entfachen«, schreibt Räderscheidt in ihrem Buch.

Das politische Statement ist ein wichtiger Teil ihres Schaffens; in den Bildern, den Performances, im Engagement für den Tierschutz, in der Flüchtlingshilfe, für Vergessene, Verlachte, für die Hilflosen, die Schwachen, wie auch für Mutter Natur setzt sie sich ein. »Ich male die Bilder meiner Zeit«, sagt sie. Maf Räderscheidt ist ein Mensch, der sich sorgt und kümmert, sich auseinandersetzt mit der Rolle der Frau und alten matriarchalen Riten. Mit dem Konejung-Preis, der ihr 2016 verliehen wurde, wurde eine hervorragende Zeichnerin, Malerin und Performancekünstlerin ausgezeichnet, sowie auch ihr gesellschaftliches und soziales Engagement gewürdigt.

Links:
www.maf-art.com
www.facebook.com/maf.raederscheidt

Titelbild: Die Malerin Maf Räderscheidt. Foto: Stephan Everling

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