365 Jahre Quäker…

Man kennt sie hierzulande kaum und wenn, dann höchstens in der Nachkriegsgeneration, die in den 1940er Jahren eine »Quäkerspeisung« bekam: die »Religiöse Gesellschaft der Freunde«, genannt »Quäker«. Der CONTRASTE-Schwerpunkt beschäftigt sich mit diesen »Freunden«, weil sich zu unserem Themenspektrum viele Verbindungen zeigen.

Ariane Dettloff, Redaktion Köln und Janet Kreysa, Swisstal

»Quäker« ist ursprünglich ein Spottname, den die so Diskriminierten sich zu eigen gemacht haben. Ein Alleinstellungsmerkmal ist die für Quäker zentrale »Stille Andacht«. In der Regel eine Stunde lang wird gemeinsam geschwiegen und manchmal darüber gesprochen, welche Themen in der Stille aufkommen. Daraus können auch Impulse für Aktionen hervorgehen. So beteiligen sich die Quäker (seit jeher engagiert für Frieden und dafür in ihrer Geschichte oft verfolgt) zum Beispiel an Aktionen am Atomwaffenstandort Büchel in der Eifel und der Waffenmesse Eurosatory in Paris.

Selbstorganisierte Hilfsaktionen für Projekte im globalen Süden oder auch hierzuland betreibt die »Quäkerhilfe e.V.«, von der Dieter Müller berichtet (Seite 12). Christine Bechtel erläutert im Interview die selbstorganisierten Strukturen der deutschen Quäker ohne Priester und ohne Chefs (Seite 11).

Dogmen sind Quäkern von jeher suspekt. So entsteht eine große Vielfalt von Ansichten, Überzeugungen, Meinungen, von Herkunft und von Glaubensrichtungen. So etwas wie eine Taufe gibt es nicht, stattdessen erklärt jemensch, warum er oder sie sich entschieden hat, Quäker*in werden zu wollen. »Wir suchen die Erfahrung des Göttlichen in uns, in unseren Beziehungen mit anderen Menschen und in der Welt, in der wir leben«, heißt es in einer Selbstdarstellung. »Quäker suchen das ›Innere Licht‹, das für alle Menschen und in allen Menschen direkt zugänglich ist, unabhängig von Alter, Geschlecht, Ethnie, Nationalität, sexueller Orientierung, religiösem und kulturellem Hintergrund, Ausbildung, ökonomischem und gesellschaftlichem Status.«

Quäkerinnen und Quäker sind auch da vor Ort, wo politische, wirtschaftliche und militärische Entscheidungen von weltweiter Bedeutung getroffen werden. Der Quäkerrat für europäische Angelegenheiten (QCEA) in Brüssel und die Quäkerbüros bei den Vereinten Nationen (QUNO) in Genf und New York vertreten vor Ort Quäker-Standpunkte. Ein Highlight in der Quäker-Geschichte war 1947 die Verleihung des Friedensnobelpreises für ihre Hilfsleistungen an die überlebenden Opfer des Zweiten Weltkriegs, darunter Millionen hungrige Kinder.

Die Schwerpunkt-Seiten vermitteln einen Eindruck davon, »wie Quäker heute ticken« (insbesondere die 256 Mitglieder, die in Deutschland und Österreich leben). Ab 2020 hat Corona die Quäker gezwungen, neue Ansätze einzuführen, wenn sie sich nicht von Angesicht zu Angesicht treffen können. Viele sind überrascht, wie gut ein stilles Zoom-Meeting funktionieren kann. Zoom-Seminare und -Komitees haben es dieser sehr kleinen und verstreuten Gemeinschaft ermöglicht, auf eine Art und Weise miteinander zu kommunizieren und voneinander zu lernen, wie es sich Gründervater George Fox (1624-1691) nie hätte vorstellen können.

Link: www.quaeker.org


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