»Es fehlt die Sensibilität für die Gefahren solcher Datensammlungen«

In unserer Februar-Ausgabe berichten wir über die Verfolgung per Polizeidatenbank, die auch vier Jahre nach den G20-Protesten in Hamburg weitergeht. Ergänzend zu dem Beitrag hat CONTRASTE-Autor Gaston Kirsche mit Deniz Çelik gesprochen. Er ist Abgeordneter und Fachsprecher für Innenpolitik der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft.

CONTRASTE: Wie kommt es zu der enorm großen G20-Datenbank der Hamburger Polizei CRIME?

Deniz Çelik: Datenbasierte Polizeiarbeit hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen und ist auch für die Polizei Hamburg ein wichtiges Instrument. Auch in der Vergangenheit gab es bei der Polizei keinerlei Zurückhaltung bei Datenbanken. Sie führt Dateien über vermeintliche »Linksextremist*innen«, ebenso wie über aktive Fußballfans und schreckt auch nicht vor der Speicherung von sensiblen Daten wie »Volkszugehörigkeit« oder Gesundheitsinformationen zurück. Angesichts des Datenhungers der Polizei Hamburg ist die Datei »Schwarzer Block« keine Überraschung. Für eine datenbasierte Polizeiarbeit war der G20-Gipfel ein wahres Datengewinnungsparadies. Allein die über 400 Ingewahrsamnahmen, unzählige Personalienfeststellungen und natürlich auch die fast 100 Terabyte Bildmaterial dürften dafür ein guter Datenlieferant gewesen sein.

Der G20-Gipfel war vor über vier Jahren, warum besteht die Datensammlung weiterhin?

Gemäß der Einrichtungsanordnung dient die Datei der Aufklärung von Straftaten im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel. Die Daten daraus werden gelöscht, wenn der Verfahrenskomplex juristisch abgehandelt ist. Die Polizei sieht aber die Straftaten im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel als einen zusammenhängenden Komplex an und verschafft sich durch diesen Trick eine enorm lange Speichermöglichkeit. Die Informationen in der Datei sind zur Ausleuchtung von Strukturen und Verbindungen innerhalb der linken Szene für die Polizei Gold wert. Die Polizei wird alles daransetzen, diese Daten möglichst lange verwendet zu können.

Deniz Celik. Foto: Die Linke Hamburg

Wer darf die Daten denn verwenden?

Die Behörde ist diesbezüglich nicht auskunftsfreudig, daher können wir auch nur spekulieren. Man kann aber davon ausgehen, dass bei polizeilichen Maßnahmen gegen Personen aus dem linken Spektrum wohl auch ein Blick in die Datei geworfen werden wird. Ebenso werden wohl auch alle neuen Erkenntnisse über den G20-Gipfel weiterhin in die Datenbank einfließen.

Dann spielt Datenschutz gar keine Rolle?

Im Hinblick auf die Kontrolle polizeilicher Datenverarbeitung haben wir ein klares Defizit an rechtsstaatlichen Kontrollmöglichkeiten. Im Rahmen der Polizeirechtsreform in Hamburg wurden zum einen die Speicherdauer polizeilicher Daten extrem ausgeweitet und gleichzeitig die Befugnisse des Datenschutzbeauftragten zur Kontrolle der Polizei eingeschränkt. Betroffene müssen sich daher individuell gegen ihre Speicherung zur Wehr setzen, von der sie aber oft gar nichts wissen.

Es gab aber gar keine öffentliche Diskussion und Kritik dazu, nach deinen schriftlichen Anfragen zum Thema?

Es gibt oftmals eine fehlende Sensibilität für die Gefahren solcher Datensammlungen. Viele befinden sich in dem Irrglauben, dass sie zum Beispiel nur auf einer friedlichen Demo waren und die Daten daher für die Sicherheitsbehörden nicht relevant sind und ihnen nicht gefährlich werden können. Das ist aber ein Trugschluss. Eintragungen in polizeilichen Datenbanken können eine erhebliche Gefahr darstellen. In den Augen der Sicherheitsbehörden wird man schnell zum »Linksextremisten«, auch wenn man nur auf einer kapitalismuskritischen Demo war. Wir brauchen daher eine intensivere Auseinandersetzung über die Gefahren polizeilicher Datenverarbeitung.

Danke für das Interview!

Titelbild: Eindruck von der großen Demo »Grenzenlose Solidarität statt G20« am 8. Juli 2017 in Hamburg. Foto: Gaston Kirsche

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