Ein schwimmendes Wandertheater

In der 2017 gegründeten gemeinnützigen Theatergenossenschaft Traumschüff geG haben sich Künstler*innen und Kulturschaffende zusammengeschlossen. Als »Theater im Fluss« betreibt die Gruppe das schwimmende Wandertheater, das sich insbesondere Themen des ländlichen Raums widmet. Mit dem Theaterschiff »Genossin Rosi« tourt sie in den Sommermonaten durch Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.

Kristina Bayer, Kassel

Kulturgenossenschaften stellen in Deutschland eine noch neue Ausprägung von bürgerschaftlich getragenen Genossenschaften dar. Seit den 2000er Jahren entwickeln sie tragfähige Alternativen für die von zunehmender Ökonomisierung gekennzeichnete Kulturbranche. Deutschlandweit beweisen genossenschaftlich betriebene Kinos und Theater, dass ein qualitativ hochwertiges Kulturangebot mit stabiler Wirtschaftlichkeit einher gehen kann. Sei es zum Erhalt historischer Bausubstanz, wie im Fall des Erfurter Theaters oder der Festhalle Annaberg, oder als sicherer Rahmen für Kulturschaffende. Insgesamt ist die Zahl der Gründungen aber noch sehr gering.

Allerdings existieren vielversprechende Konzepte zum Betreiben von Kultureinrichtungen, auch in Kooperation mit Stiftungen oder anderen Trägern der Gemeinwirtschaft. Im Zentrum steht das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern. Die Theatergenossenschaft Traumschüff geG ist ein Teil dieser innovativen Ansätze, die sich in der Kulturlandschaft neu formieren. Zu ihrem Konzept gehört, nach den Aufführungen mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen. Dort erfahren die Künstler*innen am besten, was die Menschen vor Ort bewegt. Und machen aus den Eindrücken ihr nächstes Stück. Theater im Dialog – ein lebendiger Prozess, der Dinge verändert und »in Fluss bringt«.

So geschehen in einer Brandenburger Gemeinde, in der sich der Biber wieder angesiedelt hat. Naturschützer*innen begrüßten dies, Anwohner*innen sorgten sich um die Deiche. »Beide Aspekte können in den entsprechenden Regionen schnell zur existenziellen Frage werden«, sagt Nikola Schellenschmidt, Mitglied im künstlerischen Leitungsteam und Autorin zahlreicher Stücke der Gruppe. Traumschüff entwickelte das Stück »Bibergeil«, das den Konflikt anhand der Geschichte eines Landwirtes nachzeichnet, dem das Nagetier sein Feld überschwemmt. »Im Publikum saßen Naturschützer*innen und Gegner*innen – und beide konnten etwas mit dem Stück anfangen«, sagt Schellenschmidt.

Theater auch dorthin zu bringen, wo Kultur nicht sehr stark vertreten ist – das ist mit einem Schiff möglich. An entlegenen Orten Menschen aus unterschiedlichen Lebenszusammenhängen niedrigschwellig an Kunst und Theater heranzuführen und miteinander ins Gespräch zu bringen, gehört zu den wichtigsten Anliegen der Kulturgenossenschaft. Dies kennzeichnet die theaterpädagogischen Projekte und Workshops der Gruppe. Der Erfolg gibt ihnen recht. Zahlreiche Preise, eine hohe Medienresonanz und verdoppelte Besucher*innenzahlen innerhalb eines Jahres zeigen: Traumschüff ist angekommen, auch bei den Menschen, die sonst nicht unbedingt ins Theater gehen. Aktuell plant die Gruppe die Eröffnung eines festen Winterstandortes in Oranienburg.

Eintritt gegen Spende

Eine wichtige Rolle dabei spielt, so Schellenschmidt, dass der Eintritt für die Aufführungen frei ist. Stattdessen werden Spenden erbeten. Mit der Genossenschaft ist es gelungen, dem künstlerischen Anliegen der Gruppe einen sicheren Rahmen zu geben. Viele Mitglieder, die im normalen Theaterbetrieb unzufrieden waren, sind in ihrem eigenen Unternehmen zu ihren eigenen Bedingungen beschäftigt. Das führt zu einer hohen Identifikation, »wenn einem das Theater gehört«. Die Initiative zur Gründung ging von einem Schauspieler aus, der sich selbstständig machen wollte. Den beiden Vorständen, Regisseur David Schellenberg und Autorin Nikola Schellenschmidt, die die meisten Stücke selbst schreibt, gibt das Konstrukt ebenso die Freiheit, ihre Ideen eigenverantwortlich umzusetzen. Die Gemeinnützigkeit bietet den richtigen Rahmen für zahlreiche öffentliche Projektförderungen. Das Konzept halten die Betreiber*innen für skalierbar. »Der Bedarf ist da, und ländliche Flusslandschaften gibt es in ganz Deutschland«, so Schellenschmidt.

Wichtigster Schlüssel zum Erfolg des Konzepts ist laut Schellenschmidt die Gemeinschaft. Unzählige Menschen helfen weiterhin während der Tour ehrenamtlich mit, das Schiff zu bewegen. Im Gegenzug erleben sie »Gemeinschaft auf Zeit, Lagerfeuerromantik und sind Teil eines kreativen Prozesses«. Dabei werden auch die besonderen Herausforderungen des Wasserwanderns gemeinsam bewältigt: An kalten Tagen kann es vorkommen, dass ein Zuschauer spontan eine mobile Sauna vorbeibringt. Vielleicht macht Schellenschmidt daraus ihr nächstes Stück.

Link: https://www.traumschueff.de

Titelbild: Das »Traumschüff« während einer Vorstellung in Himmelpfort. Foto: Sophia Sorge

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