documenta: Prozess vor Profil

Schon im Vorfeld hatte die documenta fifteen Aufsehen erregt: Die Rolle der Kurator*innen wurde in die Hände der Künstler*innen selbst gelegt – ein Novum in der Geschichte einer der größten Kunstausstellungen der Welt. Nun ist die 15. documenta beendet. Was bleibt? Was nehmen Besucher*innen und Teilnehmende mit? Retrospektive und Reflexion der documenta fifteen liefert dieser CONTRASTE-Schwerpunkt.

Brigitte Kratzwald, Redaktion Graz und Marlene Seibel, Redaktion Lüneburg

Die documenta fifteen wollte anders sein als ihre Vorgängerinnen. Das Künstler*innenkollektiv ruangrupa aus Indonesien war darum angetreten, der wohl weltweit größten Kunstausstellung einen neuen Anstrich zu verleihen. Die konzeptionelle Grundlage der Ausstellung bildete dabei das Prinzip von »lumbung«, einem indonesischen Begriff, der für gemeinschaftliches Wirtschaften und Arbeiten steht. So setzte das Kurator*innen-Team bei der Auswahl der Künstler*innen denn auch weniger auf große Namen der Kunst, sondern lud diverse Kollektive zum gemeinsamen Kunstschaffen ein. Unser Redakteur Burghard Flieger hat sich die Ausstellung in Kassel angesehen. »Die Suche nach beeindruckenden ästhetischen Kunstwerken« sei dabei überwiegend ins Leere gelaufen, schreibt Flieger in seiner Rückschau. Vielmehr habe das Prozessuale, Aktionistische der Kunst im Vordergrund gestanden. Er fragt sich, ob das mit der Art und dem generellen Konzept der documenta vereinbar ist. Burghard Fliegers ausführliche Rezension gibt es auf Seite 9 zu lesen.

Wir werfen auch einen Blick ins ruruHaus. Das als »Wohnzimmer« der documenta gedachte ehemalige Kaufhaus in der Kasseler Treppenstraße bot kleinen und größeren Künstler*innen eine Plattform zur Darbietung ihrer Kunst und wollte ein Ort des Austauschs sein, zwischen Kunst und Publikum. Das Künstler*innenkollektiv »Landrosinen« aus dem Schwalm-Eder-Kreis war mit drei Veranstaltungen im ruruHaus vertreten. Wie das Künstler*innen-Netzwerk den Ort erlebt hat, erzählt der Vereinsvorsitzende Stefan Pollmächer im Text auf Seite 10.

In dem Format »Gespräche zur documenta fifteen« bot die Gruppe »THe LoG FFiDD15« um Doro-Thea Chwalek immer mittwochs eine Gesprächsreihe zu den zentralen Anliegen der diesjährigen documenta im ruruHaus an. Das Publikum war eingeladen, gemeinsam mit der Gruppe zu forschen und zu hinterfragen. Im Interview mit CONTRASTE-Redakteurin Brigitte Kratzwald erzählen einige Mitglieder der Gruppe von ihren Erfahrungen und Erlebnissen aus der Reihe (Seite 10).

Im Vorfeld der documenta hatten sich verschiedene zivilgesellschaftliche Initiativen in Kassel zum »ZukunftsDorf22« zusammengeschlossen, um – inspiriert vom documenta-Konzept »lumbung« – einen Ort zu erschaffen, an dem anhand eines inklusiven Kultur- und Bildungsprogrammes der Frage nachgegangen wurde, wie wir unsere gemeinsame Zukunft in Vielfalt gestalten können. Auf Seite 11 lest ihr den Erlebnisbericht einiger Dorfbewohner*innen. Auf Seite 12 erfahrt ihr mehr über eine Veranstaltung im ZukunftsDorf22, das Treffen vom Netzwerk ökonomischer Wandel (NOW).

Nicht zuletzt gab es die Antisemitismus-Vorwürfe, die die eigentlichen Anliegen des Kurator*innen-Teams vorübergehend in den Hintergrund rücken ließen. Die Stiftung Asienhaus hat sich mit dem Konflikt in einer Broschüre auseinandergesetzt und sich unter anderem mit der Bildsprache des kritisierten Kollektivs Taring Padi beschäftigt. Ergänzend zum Schwerpunkt widmen wir uns diesem Thema auf der Seite 14.


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