Konstruktiven Journalismus machen

Was meint ihr: Wie viele Menschen auf der Welt können lesen und schreiben? Wie hat sich die Zahl der Toten durch Umweltkatastrophen in den letzten 30 Jahren entwickelt? Wie viele der einjährigen Kinder sind weltweit geimpft? Ich lag mit all meinen Antworten daneben! Es gab jeweils drei Auswahlmöglichkeiten und in allen drei Fällen schätzte ich die Lage schlechter ein, als sie tatsächlich ist. Ein Fazit aus dem so genannten »Ignoranz-Test«: Die Welt ist nicht so schlecht, wie wir denken. Tatsächlich sind 80 Prozent der einjährgen Kinder weltweit geimpft. Die Zahl der Toten durch Umweltkatastrophen hat sich halbiert und »nur« noch 13 Prozent der Weltbevölkerung können nicht lesen und schreiben.

Unsere Kolumne: Blick vom Maulwurfshügel – Illustration: Eva Sempere

Unser Weltbild hat auch damit zu tun, welche Nachrichten uns wie in den Medien präsentiert werden. Negative Nachrichten überwiegen, weil sie als berichtenswerter gelten. Irgendwie logisch: Die unzähligen Flugzeuge, die sicher starten und landen, sind keine Meldung wert. Dafür bekommt das eine Flugzeug, das abstürzt, viel Aufmerksamkeit. Die Auswahl von Nachrichten hat ihre Gründe – und die sind nicht alle falsch. Wir wollen über Gefahren informiert werden, über Konflikte und Probleme. Nichts desto trotz führt die Konzentration auf »bad news« dazu, dass wir die Welt anders wahrnehmen, als sie ist. Besonders schockierte mich die Tatsache, dass unter Journalist*innen das negative Weltbild noch ausgeprägter ist als im Rest der Bevölkerung.

Was macht das mit uns? Nun, es ist verständlich, dass uns diese einseitige Art von Berichterstattung nicht gerade zuversichtlicher und engagierter macht. Viel mehr kann sie zu depressiven Verstimmungen, zu Hoffnungslosigkeit und Passivität führen. Es entsteht ein Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber globalen Herausforderungen: Armut, Kriege, Klimakrise, …

Das muss aber nicht so sein: »Konstruktiver Journalismus« nennt sich ein alternativer Ansatz, der Prinzipien aus der positiven Psychologie miteinbezieht. Geprägt wurde der Begriff im skandinavischen Raum, doch er wird auch immer mehr im deutschsprachigen Raum diskutiert, z.B. beim diesjährigen Journalistentag der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in Berlin. Katharina Wiegmann vom Online-Magazin »Perspective Daily« stellte in ihrem Workshop das Konzept vor und berichtete aus ihrem Redaktionsalltag. Wichtig: Es geht nicht darum, nur positive Nachrichten zu verbreiten – und Probleme außen vor zu lassen. Vielmehr soll über diese Probleme lösungsorientiert berichtet werden. Fragen, die dabei eine Rolle spielen, sind unter anderem: Welche positiven Entwicklungen gibt es? Wie könnte es weitergehen?

»Konstruktiver Journalismus« ist etwas, was die CONTRASTE auch schon seit 35 Jahren betreibt. Der Leitspruch »Neues im Alten« lässt sich dahingehend verstehen: Lasst uns nicht nur dorthin schauen, wo etwas schief läuft, sondern auch dorthin, wo schon andere Ideen erfolgreich ausprobiert werden! Das hat nichts mit Ignoranz zu tun, sondern mit gesundem Realismus.

Regine Beyß

Link zum »Ignoranz-Test«: https://www.gapminder.org

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