Danke, Reiche?

Unter einer kanarischen Dattelpalme (Phoenix canariensis) lese ich, dass die Chines*innen ein Raumschiff bauen, mit dem sie zehn Tourist*innen 100 Kilometer in den Weltraum schießen wollen, um ihnen zwei Minuten Schwerelosigkeit zu bieten und jeweils 250.000 Dollar dafür zu kassieren. Der nächste Schritt soll eine Rakete mit 20 Plätzen sein – für vier Minuten Schwerelosigkeit.

Unsere Kolumne: Blick vom Maulwurfshügel. Illustration: Eva Sempere

Elon Musk hat die erste Mond-Umrundung bereits für eine geheim gehaltene Summe an den japanischen Milliardär Yusaku Maezawa verkauft. Eine japanische Firma plant eine Mondbasis, die vor allem ein Hotel für Mond-Tourist*innen beherbergen soll. Gleich zwei private Unternehmen bieten schon heute an, die Asche Verstorbener auf den Mond zu schießen – für 13.000 bzw. 11.950 Dollar. Der Mond scheint also schon zum Tourismus-Ziel geworden zu sein, zunächst natürlich für die Reichen. Mal sehen, wann durch die unermüdliche Pionierarbeit der Reichen der Weltraum-Tourismus für alle erschwinglich wird …

Als ich Kind war, gab es in unserem Bekanntenkreis die Besitzerin einer großen Druckerei, die sich schon damals einen Luxusurlaub auf Teneriffa leisten konnte. Und das berühmte Gran Hotel Taoro in Puerto de la Cruz war 1890 das größte Luxushotel Spaniens und vor allem der englischen Oberschicht vorbehalten. Von meiner Palme aus kann ich verfolgen, wie es gerade gründlich renoviert wird – für uns alle in der nächsten Saison. Profitieren wir also von den Reichen?

Wolfgang Engler analysierte in seinem Buch »Die arbeiterliche Gesellschaft« die DDR als ein Land, in dem es keine reichen Vorbilder gab, an denen sich die Bevölkerung in ihrem Lebensstil nach oben hätte ausrichten können und deshalb überall mittelmäßig blieb.

Brauchen wir sie also, die Reichen?

Schon 1975 hatte sich der »Chicago Boy« Milton Friedman bei dem chilenischen Diktator Pinochet mit dem klassischen neoliberalen Programm angebiedert: »Sorgt dafür, dass es den Reichen gut geht, dann wird es allen gut gehen!« In Deutschland agitiert derzeit besonders schrill der Rechtsradikale Markus Krahl gegen Staat, Planung und Sozialgesetze für Deregulierung, also »Freiheit« für die Reichen.

Es stimmt: Kapitalismus ist ein grenzenlos opportunistisches System, das alles bedient, was als zahlungskräftige Nachfrage daherkommt. Und so ist es nicht ungewöhnlich, dass ursprünglich unerschwingliche Güter durch Massenproduktion und Innovationen allmählich für viele bezahlbar werden. Aber der immer wieder behauptete Trickle-Down-Effekt (auch »Pferdeäpfel-Theorie«, der schon Ronald Reagan, Margaret Thatcher und Donald Trump anhingen) funktioniert wohl nicht. Die fünf reichsten Männer (!) der Welt zum Beispiel haben ihr Vermögen seit 2020 mehr als verdoppelt und die reichsten Deutschen haben von 89 auf 155 Milliarden zugelegt.

Der internationale Währungsfonds resümierte 2015: »Wenn der Einkommensanteil der obersten 20 Prozent steigt, nimmt das BIP-Wachstum mittelfristig tatsächlich ab.« Statt auf die Pferdeäpfel zu warten, sollte die Wirtschaftspolitik also besser gleich die Armut bekämpfen.

Uli Frank

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