Ausweg aus dem Königreich der Angst

von Brigitte Kratzwald

»Das Königreich der Angst« heißt ein Buch, das die amerikanische Philosophin Martha Nussbaum 2019 schrieb. Der Anlass dafür war die Wahl von Trump zum US-Präsidenten. Ein Buch der österreichischen Linguistin Ruth Wodak aus dem Jahr 2016 trägt den Titel »Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse«. Beide Bücher beziehen sich auf die Methode rechter Politiker*innen und Regierungen, in der Bevölkerung Angst zu schüren, um sich dann als die »Retter*innen« aus der Gefahr zu inszenieren, um gewählt zu werden. Beide Bücher entstanden vor der Corona-Pandemie. Die Pandemie, der Umgang damit und die Auswirkungen auf unsere Gesellschaften drehen die Angstspirale aber wieder ein Stück weiter.

Unsere Kolumne: Blick vom Maulwurfshügel – Illustration: Eva Sempere

Covid-19 war ein neuer Anlass für Politik mit der Angst. Die Angststörungen bei Jugendlichen haben seit Beginn der Pandemie stark zugenommen. Aber nicht nur die Mächtigen nutzen die Angst als Instrument. Greta Thunberg hat in Davos den Spieß umgedreht: »Ich will, dass ihr Panik bekommt!«, schleuderte sie den dort versammelten politischen und wirtschaftlichen Eliten ins Gesicht.

Meine Wahrnehmung ist, dass viele, vor allem junge Menschen, wirklich große Angst vor der Klimakrise haben. Viele Menschen haben Angst davor, zu erkranken und andere anzustecken. Andere wieder haben Angst vor der Impfung oder vor einer Diktatur, dem Überwachungsstaat oder vor einem Erstarken des Rechts­extremismus, und alle haben Angst vor den jeweils »Anderen«. Alle diese Dinge können mit Recht als Bedrohung wahrgenommen werden. Trotzdem: Es ist schon seltsam. Noch nie haben die Menschen in Europa in größerer Sicherheit gelebt und vermutlich gab es noch nie so viel Angst.

Angst ist eine wichtige Emotion, die unser Leben retten kann. Sie kann bewirken, dass wir etwas gegen die Bedrohungen tun. Angst kann aber auch paralysieren und dazu führen, dass wir uns einigeln, abgrenzen, nur mehr darauf schauen, unsere eigenen Schäfchen ins Trockene bringen. Und diese Ängste können sich in Wut, Zorn und Aggression verwandeln, sagt Martha Nussbaum, und das sei eine Gefahr für die Demokratie. Ich denke, das ist genau das, was wir im Moment erleben.

Die gegenseitige Angst führt dazu, dass sich die verschiedenen Gruppierungen immer noch weiter voneinander entfernen. Die ambivalente Situation, in der wir uns befinden, macht es schwer, das »Richtige« zu tun und noch schwerer, die Folgen abzuschätzen. Doch anstatt das anzuerkennen, gilt nur mehr schwarz und weiß, wer nicht meiner Meinung ist, ist mein Feind. So wird der Spalt immer größer, wertschätzendes, konstruktives aufeinander Zugehen immer weniger möglich.

Nussbaum schlägt als Ausweg aus dem Königreich der Angst eine Haltung der Hoffnung vor. Zwar teilen Angst und Hoffnung das Vorhandensein einer Situation mit unsicherem Ausgang. Die Hoffnung jedoch habe nicht nur eine positive Zukunftsvision, sondern sei auch verbunden mit dem entsprechenden Handeln und das bringe Zuversicht.

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