In der letzten CONTRASTE-Ausgabe ging es an dieser Stelle um das Thema Angst und welche gesellschaftlichen Auswirkungen sie haben kann. Tatsächlich habe ich mich davon stärker angesprochen gefühlt, als mir lieb war. Da war schon länger ein Gefühl, das ich so noch nicht kannte. Es war keine konkrete Angst, wie zum Beispiel vor einem Tier, einem Ereignis oder einem anderen Menschen. Ich las ein Zitat der Autorin Elif Shafak, die von einer »große[n] und zunehmende[n] Sorge über den Zustand der Welt und unseren Platz darin« spricht. Es sei, als würden wir uns ganz grundsätzlich davor fürchten, überhaupt auf der Welt zu sein.
Dieser Satz resonierte sehr mit mir. Und diese Erkenntnis, dass ich mich grundsätzlich vor meinem Sein in der Welt fürchtete, fand ich nicht besonders attraktiv. Sie passte nicht zu dem Bild, das ich von mir als politischer Aktivistin habe. Aktivist*innen sind schließlich stark und mutig, und vor allem lassen sie sich niemals unterkriegen von den äußeren Bedingungen. Stets haben sie das Ziel vor Augen und geben die Hoffnung nicht auf, dass es sich eines Tages zum Besseren wendet. Und doch musste ich mir eingestehen, dass die letzten Jahre auch bei mir Spuren hinterlassen hatten. Corona-Pandemie, Klimakrise und der Krieg in der Ukraine – da blieb irgendwann nicht mehr viel Platz für Hoffnung und Enthusiasmus.
Zum Glück fand ich aus dieser Stimmung bald wieder einen Ausweg. Und zwar am gleichen Ort, an dem ich auch das oben genannte Zitat gefunden hatte. In »Wie wir die Welt sehen« beschreibt die Journalistin Ronja von Wurmb-Seibel, was negative Nachrichten mit unserem Denken machen. Ich saugte jedes der Kapitel in mich auf. Ich fand Erklärungen für meine Stimmung. Und darüber hinaus fand ich konstruktive Vorschläge, wie ich mit den täglichen – vor allem schlechten – Nachrichten umgehen könnte, sowohl als Konsument*in als auch als Produzent*in von Medien. Wurmb-Seibel erklärt, wie die klassischen Nachrichtenfaktoren von einer Beschreibung zur Grundlage für die Nachrichtenauswahl wurden, warum ausschließlich negative Nachrichten Hilflosigkeit und Ohnmacht auslösen und dass Stress auch durch ein traumatisches Ereignis ausgelöst werden kann, das wir erst in der Zukunft oder vielleicht sogar nie erleben werden – einfach nur dadurch, dass wir zu oft davon hören. Und nein, es gehe nicht darum, »Negatives auszusparen [und] nur noch Wohlfühlgeschichten zu erzählen«. Vielmehr sollten Journalist*innen sich bemühen, auch mögliche Auswege aus schwierigen Situationen aufzuzeigen. Das hinterfrage auch die Machtverhältnisse, die zu dem Problem geführt haben.
Ich bin sehr dankbar, dass mir dieses Buch vor ein paar Wochen empfohlen wurde. Denn es hat auch dazu geführt, dass mir wieder klarer geworden ist, warum wir jeden Monat die CONTRASTE herausbringen. Wir bemühen uns, Lösungen aufzuzeigen und davon zu berichten, was Menschen gemeinsam auf die Beine stellen können. So hat es die Angst deutlich schwerer, sich breit zu machen.
Regine Beyß