Die ersten Stadtgärten in Deutschland entstanden Ende der 1990er Jahre, erst als »Interkulturelle Gärten«. Bereits 2005 gab es dazu einen Schwerpunkt in der CONTRASTE (Nr. 250/251). Ab 2012 wuchs die Zahl der Gärten schnell, heute sind etwa 1.000 Gärten im Netzwerk der Stadtgärten vertreten. Die Münchner »anstiftung« begleitete die Bewegung von Beginn an und organisierte im Mai die Tagung »Die Stadt ist unser Garten. Wie die urbane Gartenbewegung unsere Städte verändert«.
Brigitte Kratzwald, Redaktion Graz
Im Rahmen der Tagung wurde das Buch »Unterwegs in die Stadt der Zukunft« präsentiert, das einen Rückblick auf die bewegten Jahre bietet. In der Einleitung des Buches fassen die Herausgeberinnen zusammen, wofür diese Gärten stehen können und wollen. Inmitten all der sozialen und ökologischen Krisen seien Stadtgärten Orte, »die der Zerstörung und Entwurzelung etwas entgegensetzen, Orte, die der Pflege bedürfen, der Fürsorge, der Aufmerksamkeit und des Engagements, die aber auch vieles wieder ins Lot bringen, weit über die Grenzen des Gartens hinaus: die für Sauerstoff, Kühlung und Schatten, Feuchtigkeit, Bodenqualität, Artenvielfalt sorgen und Menschen ein Gefühl von Erdung und Aufgehoben-Sein bzw. Ankommen-Können vermitteln«. Dieser hohe Anspruch beflügelt die Aktivist*innen, führt aber oft auch zur Überforderung, beides wurde bei der Tagung spürbar. Einen Bericht von der Tagung und eine Vorstellung des Buches findet ihr auf Seite 9.
Neue Themen
Stand am Beginn der Stadtgartenbewegung der Wunsch nach Raumaneignung und Mitgestaltung der Stadt, inspiriert durch die »Recht auf Stadt«-Bewegung und den Diskurs um die »Commons«, so geht es angesichts der aktuellen Krisen immer mehr darum, konkret an einer sozial-ökologischen Transformation mitzuarbeiten. Dabei hat sich die Bewegung ausdifferenziert: Für manche Projekte steht das Thema Ernährung im Zentrum, bei anderen liegt die Motivation eher bei der Stadtgestaltung. Für manche ist es nach wie vor der soziale Aspekt, in benachteiligten Stadtteilen oder für benachteiligte Gruppen Raum für soziale Begegnungen und Empowerment zu bieten, der sie antreibt. Ein Beispiel dafür ist der »Hevrin Xelef« Heilkräutergarten in Berlin, über den Anuscheh Amir-Khalili auf Seite 10 berichtet. Ebenfalls auf Seite 10 findet sich das Urban Gardening Manifest, das 2014 ein wichtiger Schritt bei der Identitätsfindung der Gartenbewegung war. Ein weiteres erfolgreiches Gartenprojekt stellt sich auf Seite 11 vor: die Gemüseheld*innen aus Frankfurt/Main.
Neue Partner*innen
In den letzten Jahren sind andere Initiativen und Bewegungen dazu gekommen, die sich mit dem Thema Ernährung befassen. Gleichzeitig haben Stadtregierungen den Wert dieser Ernährungsbewegungen erkannt. Städte sind gefordert, Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln und Stadtgärten bieten sich für solche Konzepte als Partner*innen an. Eine Beziehung, die in sich durchaus widersprüchlich ist. In vielen Städten sind Ernährungsräte entstanden, in denen ebenfalls Menschen aus den Gärten vertreten sind und die diesen auch neue Möglichkeiten eröffnen. Den manchmal spannungsreichen Prozess zwischen den verschiedenen Akteur*innen beschreiben Alexander Follmann und Dorothea Hohengarten am Beispiel Köln auf Seite 12.
Transparenzhinweis: Die Tagungsteilnahme der Autorin wurde von der anstiftung finanziert.
Links:
anstiftung.de
Netzwerk Urbane Gärten: urbane-gaerten.de
Titelbild: Gemeinschaftsgarten »Ab geht die Lucie«, Bremen-Neustadt: Ein komplett betonierter Stadtplatz wurde in jahrelanger Arbeit entsiegelt und begrünt. Foto: Anuscheh Amir-Khalili
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