40 Jahre CONTRASTE

Die Gründung der Zeitung CONTRASTE ist mit vielfältigen Strängen, Erinnerungsfetzen, Namen und Ereignissen zu Beginn der 1980er-Jahre verbunden. Die Bewegung der selbstverwalteten Betriebe befand sich auf ihrem Höhepunkt. Als Kumulationspunkt dafür erwies sich die »Projektemesse 1984«. Hier entstand die Idee, die hinter der Gründung und Entwicklung der CONTRASTE steckt: eine Zeitung über und für selbstverwaltete Betriebe.

Burghard Flieger, Redaktion Genossenschaften

Schon 1983 waren zur Projektemesse auf dem Gelände der Arbeiterselbsthilfe (ASH) Frankfurt, der Krebsmühle, 200 Kollektivist*innen aus 50 Betrieben angereist. 1984 kamen über 200 Betriebe und weit über 400 Menschen, die sich gemeinsam einer hoch interessierten Öffentlichkeit mit ihren Entwicklungen und Produkten vorstellten. Die Ideen zur Gründung der Ökobank, des Verbands der selbstverwalteten Betriebe in Hessen bis hin zur Initiierung einer Zeitung für Selbstverwaltung sind nur ein kleiner Ausschnitt der vielfältigen Diskussionen und Initiativen, die jahrelang die neuen sozialen Bewegungen prägten.

Wandelsblatt als Flaggschiff der Bewegung

Namen wie Karl Bergmann von der ASH, Rolf Schwendter, »Professor für abweichendes Verhalten« an der Uni Kassel und bekanntester Akteur des TAK AÖ (Theoriearbeitskreis Alternative Ökonomie), Jutta Gelbrich vom »Verein Freunde und Förderer der Ökobank e.V.« oder Dieter Poschen von Zündsatz spielten sehr unterschiedliche und dennoch sehr wichtige Rollen. Der Vielzahl der Akteur*innen, die für Initiierung und Beständigkeit der Zeitung wichtig waren und sind, wird mit diesen Namen aus der Anfangszeit selbstverständlich nur unzureichend Rechnung getragen.

Bis dahin war die »Betriebszeitung in der taz« zeitweise monatlich erschienen, um kontinuierlich über die Entwicklungen der Selbstverwaltungsbetriebe zu berichten. Den Macher*innen der Szene war das zu wenig diskursiv. Etwas Neues, der Stärke der Bewegung Angemessenes, sollte her. Darüber wurde in einer der Arbeitsgruppen während der Projektemesse 1984 und auf dem Sommerseminar des TAK AÖ 1984 diskutiert. Mehrere Kollektive erklärten sich bereit, rotierend die Redaktion für eine monatlich erscheinende Zeitung zu übernehmen.

Ein passender Name für das neue Flaggschiff der Bewegung wurde schnell gefunden. Das »Handelsblatt« war Sprachrohr der etablierten Wirtschaft. Die selbstverwaltete Wirtschaft für den Wandel sollte deshalb »Wandelsblatt« heißen. Die Provokation wurde dadurch verstärkt, dass die Gestaltung des Zeitungskopfes eng an das Design des Handelsblatts angelehnt war. Prompt erzwang eine Klage des Handelsblatts eine Namens­änderung. Als Provisorium, das sich bis heute gehalten hat, wurde auf den Namen CONTRASTE ausgewichen, um einem teuren Prozess aus dem Weg zu gehen. »Wer das Geld hat, hat …. keinen Humor« war der Titel des abschließenden Kommentars in der CONTRASTE zu diesem Thema.

Ich selbst war, vor allem bei den Diskussionen auf den TAK AÖ-Seminaren, von Beginn an in die Überlegungen eingebunden und hatte auch meine Mitarbeit signalisiert. Wirklich aktiv wurde ich allerdings erst, als mich Dieter Poschen aufgrund meiner vielfältigen Aktivitäten über und für neue Genossenschaftsgründungen direkt auf eine regelmäßige Mitarbeit zum Thema Genossenschaften ansprach. Da hatte ich mein erstes Buch »Produktivgenossenschaften oder der Hindernislauf zur Selbstverwaltung« und meine erste Gründung »Genossenschaft Berliner Ingenieurkollektive« mit Wuseltronik im Mehringhof schon auf den Weg gebracht.

Kontinuität der Redaktion Genossenschaften

Mein Engagement für eine bessere Welt durch alternativökonomische Genossenschaften hat mich seit dieser Zeit nicht mehr losgelassen. So bin ich auch der Mitarbeit bei der CONTRASTE als Redaktion Genossenschaften treu geblieben. Mehrfach wollte ich allerdings »gehen«. Einzelnen aktiven Kollektivist*innen war ich mit meinem Eintreten für die Genossenschaftsidee, obwohl ich diese wesentlich demokratischer ausgestalten will, zu konservativ. Sie wollten konsequentere Formen gleichberechtigten Arbeitens umsetzen mit utopischeren gesellschaftlichen Formen des ökonomischen Wandels. Dieter Poschen wehrte mehrere massive Angriffe – leicht unter der Gürtellinie – gegen mich ab, so dass ich trotz zeitweiliger Zwiespältigkeit dabeigeblieben bin. So kümmere ich mich jeden Monat (mit seltenen Ausnahmen) um die Genossenschaftsseite und regelmäßige Schwerpunkte zum Thema.

Entscheidend ist für mich: Bei CONTRASTE finden sich immer wieder tolle Redakteur*innen zusammen, die gemeinsam mit viel Engagement und Kompetenz an Themen rund um Selbstorganisation arbeiten – und wie dadurch eine bessere Welt entstehen könnte. Das ist das Beste, was mir passieren konnte.

Schwerpunkt zu 40 Jahren

Unser Jubiläumsschwerpunkt beginnt mit Glückwünschen von langjährigen Wegbegleiter*innen: auf Seite 9 von John Holloway, auf Seite 10 von Gisela Notz. Ebenfalls auf Seite 10 ein Text über die interne Entwicklung der CONTRASTE von 1985, der bis heute noch eine gewisse Aktualität hat. Auf den Seiten 11 und 12 könnt ihr Texte aus vergangenen CONTRASTE-Ausgaben lesen. Die Auswahl ist uns nicht leicht gefallen, denn so vieles ist in diesen Jahren geschehen. Weil die CONTRASTE aus dem Umfeld selbstverwalteter Betriebe entstand, stehen Texte darüber am Beginn. Burghard Flieger hat bereits 1989 über Genossenschaften und Digitalisierung geschrieben, Elisabeth Voß warf 1991 nach der Wiedervereinigung einen Blick auf die Entstehung selbstorganisierter Lebensgemeinschaften im Osten. Weitere Beiträge handeln von einer Frauengenossenschaft und von der Kritik der Arbeit von Heinz Weinhausen. Mit wenigen Ausnahmen handelt es sich nur um Auszüge aus den Originaltexten. Haben sie eure Neugierde geweckt, könnt ihr ja auf unser neues Archiv zugreifen. Außerdem könnt ihr auf Seite 7 einen Text über Anarchismus lesen, den Horst Stowasser 1988 für die CONTRASTE geschrieben hat. Wir wünschen eine anregende Lektüre.

Die gesamte Oktober-Ausgabe könnt ihr hier als pdf herunterladen.

In unserem neuen pdf-Archiv findet ihr alle Ausgaben aus den letzten 40 Jahren.

Wie immer schalten wir einzelne Beiträge aus der aktuellen Ausgabe im Laufe des Monats auch auf unserer Webseite frei. Werft dazu einen Blick ins Inhaltsverzeichnis der Oktober-Ausgabe >>>

Titelbild: Geschichte in Bildern: So hat sich das Erscheinungsbild der CONTRASTE in den letzten 40 Jahren verändert. Collage: Eva Sempere/CONTRASTE-Archiv

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